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Hoehenrausch und Atemnot - Mein Weg auf den Kilimandscharo

Titel: Hoehenrausch und Atemnot - Mein Weg auf den Kilimandscharo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Kaul
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zu fünf Meter hohe Senecien, die vor allem an Bachläufen stehen. Das wäre eine prächtige Film- und Fotokulisse, wenn - ja, wenn nur das Wetter mitspielen würde! So aber tappen wir durch einen Einheitsbrei aus Wald, Regen, Kälte und Wolken, bereden das Wetter und die heiße Frage, was wohl in vier Tagen geschehen wird, wenn wir den eigentlichen Anstieg zum Gipfel vor uns haben - fällt der dann aus, weil sich der Berg hinter Wolkenwände zurückgezogen hat? Nur mühsam klammere ich mich an meinen gerade frisch erlernten Satz, sich nicht schon jetzt den Kopf mit dem Nachdenken über morgen und übermorgen vollzustopfen.
    Im Rucksack rappeln zwei Thermoskannen und eine zusätzliche Wasserflasche im Takt des Gehens vor sich hin: »Trinken, trinken!« scheinen sie zu rufen. Denn Trinken ist die zweite Vorbedingung für die, die ganz nach oben kommen wollen - neben der ständigen Ermahnung, »pole - pole«, also extrem langsam, zu gehen.

    Bei den niedrigen Außentemperaturen muss ich mich allerdings schon richtig dazu zwingen, gut vier bis fünf Liter Wasser bis zur nächsten Hütte zu konsumieren. Zögernd beginne ich, mit meinen Vorstellungen über Afrika, über Sonne und Licht in diesem Land zu hadern. Inzwischen ärgere ich mich auch über die Dauerberieselung durch gutwillige Mitstreiter, die im Gehen lebenserhaltende Energieriegel und Energiedrinks nicht nur selbst zu sich nehmen, sondern sie ihren Mitwanderern aus freundschaftlichen Gefühlen heraus ebenfalls zum Verzehr anbieten.
    Was tut man also - oder besser: Was tue ich? - gegen Nebel, gegen Gespräche und gegen rubbelige Steine im rutschigen Schlamm bei den Anstiegen? Ich verstoße einfach gegen alle Gebote, die uns unsere Führer Hubert und seine Kollegin Debbie hinsichtlich des Langsamgehens auferlegt haben, und irritiere meine Mitwanderer durch einen Tempovorstoß, mit dem ich die nächsten 150 bis 200 Meter angehe.
    Plötzlich bin ich alleine. Alleine in einer eindrucksvollen, fast unwirklich leisen Umgebung ohne menschliche Stimmen. Sogar die Vögel - sollte es hier überhaupt welche geben - scheinen rücksichtsvoll zu sein: nichts als Stille, Einsamkeit, eine fast endlos wirkende Abfolge von Steinformationen und sich verschiebenden Nebelbändern... und eben diese herrliche Ruhe. Erst jetzt entdecke ich an einer Felsaufschrift, dass ich am Masheo Point angekommen bin; zumindest die Hälfte der dreizehn Kilometer langen Wegstrecke zur nächsten Hütte ist geschafft, rund 3200 Höhenmeter sind erreicht - und ich spüre: Die Ruhe hier tut mir gut.

    Ein paar Minuten später hat mich die Gruppe eingeholt. Man fragt, ob ich einen neuen Rekord aufstellen wollte, und ist ganz erstaunt über meine Antwort: »Ich wollte nur mal allein sein.«
    Die kleine Pause am Masheo Point bringt unser Team zum Nachdenken darüber, wie es den Trägern auf diesem happigen Etappenstück mit unseren Technikausrüstungen wohl ergeht - die Träger sind bereits an dieser Stelle ein paar Stunden hinter uns zurückgefallen. Ist das ganze Abenteuer, über die Satellitenanlage als erste TV-Menschen vom Kili-Aufstieg berichten zu wollen, überhaupt noch realistisch machbar, bei den vielen Steinbrocken auf dem Weg, den Anstiegen, den manchmal abenteuerlich engen Passagen bei kurzen Gefällstrecken? Und was, wenn unser Plan nicht funktioniert...? Was, wenn einem der einheimischen Träger etwas passiert, wenn einer abrutscht? Ruhig bleiben, lautet nun die Devise, jetzt nur nicht hektisch werden und abwarten - mehr fällt mir in diesen Minuten auf 3200 Meter Höhe auch nicht ein. Wir gehen weiter.

Mit dem Skateboard auf den Kili
    Auf dem Abschnitt zwischen der Mandara- und der Horombo-Hütte, unserem heutigen Etappenziel, komme ich mit zwei Mitwanderern ins Gespräch: mit Titus, einem 59 Jahre alten Skateboardpionier aus Münster, und mit Andrea, einer 35-jährigen Physiotherapeutin, der Jüngsten in unserer Kili-Bergwandergruppe. Alle Fragen über das Woher und Wohin der Teilnehmer sind ausgetauscht, fast jeder weiß etwas über die Geheimtipps
seiner Mitwanderer, etwa welche Müsliriegel und Energiedrinks er oder sie mit sich schleppt, wer welchen Job hat und welche bekannten oder unbekannten Pflanzen in 2500 bis 2800 Meter Höhe auftauchen. Außerdem tauscht man sich darüber aus, was die »anderen da«, »die vom Fernsehen« schon so alles wissen wollten und aufgenommen haben.
    Ganz ohne Kamera stapfe ich neben Titus und vor Andrea her. Ich achte ein bisschen darauf, dass mir

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