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Hoehenrausch und Atemnot - Mein Weg auf den Kilimandscharo

Titel: Hoehenrausch und Atemnot - Mein Weg auf den Kilimandscharo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Kaul
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Höhepunkt des Abends wird während des gemeinsamen Essens dann ein Stromausfall: Plötzlich sitzen wir im Dunkeln nebeneinander, es herrschen Stille und ein wenig Ratlosigkeit, bevor wir mit unseren Stirnlampen wieder etwas Licht zaubern. Der erste gemeinsame Abend geht dann ziemlich rasch zu Ende. Jeder aus der Gruppe trottet in sein nasskaltes
Quartier; die Wettervorhersage für den nächsten Morgen ist nicht besser. Also ab in die erste Etage des Doppelstockbetts. Mit dem Versuch, es mir gemütlich zu machen, beginnt auch für mich in dieser Woche das Grübeln, welche Klamotten ich wegen der Kälte am besten gar nicht erst ausziehe, denn zum Trocknen feuchter Ausrüstung gibt es hier nichts. Mein Entschluss für diesen Abend, für diese Nacht steht fest: Wärmesicherung kommt vor der sonst gewohnten Körperhygiene.
    Ehe ich mich auf meinem neunzig mal ein Meter neunzig großen Lager ans Schlafen mache, erfolgt eine letzte Absprache mit den TV-Kollegen über unsere Live-Schaltung am nächsten Morgen. Dann hört man Bettknarren, Husten und Räuspern aus allen Ecken der Hütte, ich lege Uhr und Stirnlampe für die Nacht griffbereit und missbrauche eines meiner T-Shirts als »Schmusetuch«. Denn unsere Ausrüsterin Stephanie hat uns einen guten Ratschlag mit auf den Weg gegeben: Wir sollten zumindest nachts immer irgendetwas in unserer Nähe haben, das ein bisschen nach zu Hause riecht. Da ich trotzdem nicht gleich einschlafen kann, gehe ich zwischen Wachen und Träumen noch einmal meinen körperlichen Zustand in 2700 Meter Höhe durch. Und - oh Wunder: Herz, Lunge, Kopf und Beine melden zurück, dass alles okay ist! Dann wird es mit dem Schlafen wohl auch noch klappen, trotz der Tatsache, dass ich mein Schlafzimmer auf einmal mit fünf anderen Menschen teilen muss.

Kapitel 12
    Im Nebel zur Horombo-Hütte
    »Sir, do you want coffee or tea - coffee with milk or black?«
    Es ist eine unerwartete Frage und ein unerwarteter Luxus zugleich, als am frühen Dienstagmorgen plötzlich einige Träger im dunklen Schlafraum der Mandara-Hütte stehen und uns fragen, ob wir Kaffee oder Tee, mit Milch oder schwarz bevorzugen. Das Aufweck-Kommando besänftigt uns mit dieser Frage; heiß und kohlschwarz ist der tansanische Kaffee, mit dem man mühelos wohl auch Tote wieder lebendig machen kann. Alles andere an diesem Morgen verführt eher zum Sich-im-Bett-umdrehen,
zum Liegenbleiben, denn draußen, das ist nicht nur grau-kalte Morgendämmerung - nein: Es nieselt, es regnet.
    Irgendwie muss ich es in der zurückliegenden Nacht geschafft haben, den gefährlich glitschigen Fußweg über Wiese und Böschung ohne Schaden zu überstehen und vor allem hinterher mithilfe der Stirnlampe auch wieder die richtige Hütte zu finden. Außer dem Inneren des Schlafsacks fühlt sich die ganze Bettumgebung feuchtklamm an, dazu die verschlafenen Gesichter der Mitbewohner - aber immerhin: Ich bin ja jetzt schon auf 2700 Metern und nur noch schlappe 3100 Höhenmeter vom angepeilten Kili-Ziel entfernt. Wo von hier aus gesehen dieser herrliche, schneebedeckte Gipfel liegt, wie er an diesem Morgen aussieht, das lässt sich bei diesem Wetter, ganze vier Grad über Null, den neugierig nachfragenden Live-Moderatoren des ARD-Morgenmagazins nur sehr vage erklären: »Also da, in dieser Richtung müsste er liegen...« Aber zu sehen ist nur eine graue Wolke - Nebelpampe, die gerade einmal fünfzig Meter Sicht erlaubt.
    Die Morgenwäsche fällt eher dürftig aus, ein einsamer Wasserhahn tröpfelt über einer unansehnlichen Rinne sparsam vor sich hin. Und da andere Bergwanderer schon warten, sind heute Morgen nur Gesicht und Zähne dran - und das war’s.

Ruhe, die guttut
    Einen Großteil der nächtlichen Warmhalteklamotten behalte ich wegen der kühlen, nassen Umgebung für den Tag gleich an.
Vielleicht wird es ja später am Tag besser - so jedenfalls lautet eine der freundlichen Durchhalteparolen. Außerdem wird uns gesagt, dass wir jetzt gleich losmüssten, der Weg zur Horombo-Hütte sei nicht ohne. Und so setzen wir das tägliche Ritual fort: die Entscheidung, was kommt in meinen Rucksack, was in den Zwanzig-Kilo-Packsack, den sich gleich ein Träger mit wasserdichten Planen darüber auf den Rücken wuchten wird. Unsere Satellitenanlage ist abgebaut, der Stromgenerator auf dem unförmigen Holzkarren festgezurrt; es geht los!
    Heidelandschaft und später dann Moorgebiete erwarten uns, Erikagewächse, die laut Reiseführer bis zu zehn Meter hoch werden, dazu bis

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