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Hoehenrausch und Atemnot - Mein Weg auf den Kilimandscharo

Titel: Hoehenrausch und Atemnot - Mein Weg auf den Kilimandscharo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Kaul
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gute Mittelfeld unserer Gruppe. Zwar machen sich ganz leichte Kopfschmerzen bemerkbar, aber ich liege, und das mit heilen Knochen, auf einer etwas schmuddeligen Matratze in 4700 Meter Höhe! Ist doch was, bestätige ich mir in einer seltsamen Mischung aus Erschöpfung und Vor-mich-hin-Träumen.
    In der restlichen Zeit bis zum Wecktermin um 23 Uhr findet in dem großen Schlafraum, in dem wir untergebracht sind, ein
ständiges Hin- und Hergelaufe statt. Die imposante Geräuschkulisse setzt sich aus dem Schnarchen einiger Glücklicher, die auch auf 4700 Metern noch genügend Luft zum sehr kräftigen Atmen haben, und dem lautstarken Rascheln zusammen, das durch das Umpacken der großen Packsäcke in die kleineren Rucksäcke entsteht. Und wer sich dabei immer noch ruhig auf den nächtlichen Aufstieg zum Kili vorbereiten kann, den reißt das fröhliche Klingeln diverser Wecker endgültig aus dem Halbschlaf, die lange vor der eigentlichen Weckzeit ertönen.
    Der Versuch, dem Ruf der Natur zu folgen und von einer Matratze in der ersten Etage unbeschadet auf den Fußboden und später - in völliger Dunkelheit übrigens - auf demselben Weg auch wieder zurückzuklettern, ist mindestens so riskant wie der Aufstieg zum Gipfel selbst. Also beschränke ich mich auf das angestrengte Warten darauf, dass die Zeit bis 23 Uhr endlich vergeht. Von gelassener Entspannung vor den entscheidenden Stunden kann keine Rede sein. Als wir uns später dann wieder im Essraum treffen, hat keiner mehr so recht Lust auf Tee und Kleingebäck; und eine kräftigere Mahlzeit verbietet sich aufgrund der Erfahrungen, die schon viele auf dem Weg nach oben mit ihrem Magen gemacht haben.

Endloses Warten
    Unsere Bergwandergruppe und wir mit unserem TV-Team haben uns an dem großen Tisch versammelt. Hubert und Debbie wirken in diesen Minuten wie eine Jury, die ihre Kandidaten
für die Endausscheidung mustert. »Wie geht es dir? Und dir? Habt ihr Probleme, die wir jetzt noch miteinander besprechen können?«
    Eine Kollegin aus unserem WDR-Team muss in diesen Minuten passen: Sie hat heftige Kopfschmerzen bekommen, und dann macht ihr eben auch der Magen Schwierigkeiten. Angela aus Hamburg hatte ja schon vor ihren Erlebnissen und Torturen beim Anstieg zur Kibo-Hütte deutlich gemacht, dass sie über diese Hütte hinaus und weiter nach oben nicht mehr dabei sein würde. Der »Wackelkandidat« aus der Wandergruppe, der nach medizinischer Einschätzung eigentlich schon in der Hütte auf 3700 Meter hätte bleiben sollen, ist ganz gut drauf und signalisiert: »Ich gehe weiter!« Ob er sich durch Medikamente ein wenig abgesichert hat, erfahre ich nicht. Mir selbst sind meine zarten Kopfschmerzen erhalten geblieben, also nehme ich eine leichte Tablette und hoffe, dass sie hilft.
    Irgendwie wuseln in den letzten Minuten vor dem geplanten Termin für unseren Start alle ziemlich hektisch durcheinander: Die Stirnlampen werden auf ihre Funktion hin überprüft, die eingeplanten Energieriegel in den Anoraktaschen verstaut, in die Thermoskannen wird noch einmal heißer Tee nachgefüllt, obwohl Hubert allen prophezeit, dass es auf dem Weg nach oben so kalt ist, dass kaum jemand mehr viel trinken wird. Wie Mumien sind wir eingepackt, über die dünnen Handschuhe ziehen wir noch einmal dickere; es wird eine kalte Nacht werden, mit Temperaturen deutlich unter zehn Grad minus.
    Am fast wolkenlosen Himmel hängt der afrikanische Mond, irgendwo zwischen »halb« und »voll«... und das Warten scheint
sich endlos hinzuziehen. Wir haben uns in zwei unterschiedlich leistungsstarke Gruppen aufgeteilt, die im Abstand einer halben Stunde nacheinander losgehen sollen, und fragen uns unwillkürlich, wer wohl die Favoriten auf dem Weg zum Gipfel sein werden. Die Stärkeren, Zügigeren der ersten Gruppe oder wir, die zweite Gruppe, die später startet? Doch so brennend interessiert mich diese Frage zu diesem Zeitpunkt eigentlich nicht, ich will nur endlich los, ich will, dass die Warterei hier zur mitternächtlichen Stunde ein Ende hat.
    Minuten später erfolgt erneut die Mahnung von Hubert und Debbie: »Denkt daran, ihr müsst langsam gehen, richtig langsam!« Und dann endlich der schon fast erlösende Satz: »Also, packen wir’s!« Wir gehen los.

Kapitel 15
    Zwischen Himmel und Erde
    »Und wann kommt die Atemnot? Wann kommt der Höhenrausch?«

    Ich sehe in die Gesichter von Hubert und Debbie und merke sofort, dass etwas anders ist als an den vorangegangenen Tagen. Die Lockerheit im Umgang

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