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Hoehenrausch und Atemnot - Mein Weg auf den Kilimandscharo

Titel: Hoehenrausch und Atemnot - Mein Weg auf den Kilimandscharo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Kaul
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für die nächste Zeit ganz auf sich selbst verwiesen.

Pilgerreise zu den Göttern des Kilimandscharo
    Mit einigen der Gruppenteilnehmer hatte ich schon vor ein paar Tagen darüber gesprochen, wie sie das ganze Unternehmen denn für sich »taufen« würden. Ich war doch etwas überrascht, ein paar Mal den Ausdruck »Pilgerreise« oder, etwas abgeschwächt,
»man könnte es vielleicht eine Art moderne Pilgerreise nennen« zu hören. Pilgern - wohin? Zu den Göttern des Berges, an deren Existenz sehr viele Afrikaner, die in der Kili-Region leben, glauben? Zu den Göttern, die die wahren Bewohner und Besitzer des Gipfels sind, die noch niemand gesehen hat, obwohl es sie doch geben soll? Zu den Göttern, in deren Ermessen es letztlich liegt, wen sie als Besucher in die Nähe ihres Sitzes lassen? Was spüre ich davon bei den ersten Metern meines Aufstiegs? Mir kommt - ein wenig zu meiner eigenen Überraschung - noch nicht einmal ein Stoßgebet über die Lippen, kein: »Lieber Gott, hilf mir jetzt!«, sondern viel stärker die Ausrichtung auf meinen eigenen Körper, auf das, was ich ihm und er mir zu sagen hat. Dass sich daraus vielleicht noch ein richtiger Dialog beim Hinaufsteigen entwickeln könnte - auf diese Idee komme ich jetzt, kurz nach Mitternacht an diesem Freitag, dem Gipfeltag, nicht.
    Glücklicherweise sind meine leichten Kopfschmerzen verflogen. Weil ich mich als TV-Reporter in einer Art Doppelfunktion den Berg hochbewegen muss - als 67-jähriger Bergwanderer und als Reporter mit dem Mikrofon in der Hand und einem zumindest jetzt noch klaren Kopf für die Situation meiner Mitwanderer -, habe ich meinen kleinen Wanderrucksack vorsorglich einem einheimischen Träger anvertraut. Als unzertrennliches Paar bewegen wir beide uns in der Reihe schwankender Lichtkegel der Stirnlampen Schritt für Schritt, Meter für Meter nach oben. Ist Deo, der Träger, eigentlich schon 18 Jahre alt oder vielleicht doch noch jünger? Er spricht nur Kisuaheli und lacht als Antwort auf jeden Versuch des Nachfragens meinerseits
mithilfe einiger englischer Sprachbrocken. Im Gehen teilen wir den einen oder anderen Müsliriegel miteinander, bei schwierigeren Absprachen müssen Remidy, unser einheimischer Führer, oder Debbie mit einer Mischung aus Kisuaheli und Englisch einspringen. Sehr oft wird das auf diesem Wegstück nach oben nicht sein, denn für längere Gespräche fehlt uns einfach die nötige Atemluft.
    Überhaupt dieses leidige Geschäft mit dem Atemholen: Bereits nach der ersten halben Stunde bergauf spüre ich, dass sich beim Wechsel zwischen Gehen und Atmen etwas verändert. Ich spüre, wie bei dem Versuch, tief Atem zu holen, trotzdem nicht mehr Luft in meine Lunge gelangt. Immer wieder einmal teste ich beim ganz langsamen Gehen, ob ich meinen Körper, meine Atmung durch winzig kleine Varianten des Luftholens irgendwie überlisten kann. Doch merke ich schnell, dass ich das nicht schaffe, also gehe ich noch etwas langsamer.
    Hin und wieder riskiere ich einen versteckten Seitenblick auf meine Mitwanderer. Alle sind ganz auf sich konzentriert, die einzigen Geräusche in dieser Stunde nach Mitternacht kommen vom Geräusch der Bergstiefel auf dem Boden, dieser Mischung aus Schotter und später eher rutschigem Vulkangestein. Ab und zu höre ich einige kräftige Laute auf Kisuaheli, Sprachfetzen der einheimischen Träger und ganz selten einen Satz, eine Frage von unseren Führern Hubert und Debbie. Einmal höre ich, wie sie ihre Ermahnung vom Start noch einmal wiederholen: »Macht keine Pausen, geht einfach in eurem Tempo weiter.« Eine Pause auf dem Weg nach oben soll es für alle erst bei einer Höhle am Wegrand geben, die nach dem deutschen Erstbesteiger
aus dem Jahr 1889 benannt worden ist, der Hans-Meyer-Cave auf etwa 5100 Metern. Heute nennen sie die einheimischen Führer »Asthma Cave«, bei den Chagga-Bewohnern im Tal heißt sie »das Haus Gottes«.

Wie weit ist es denn noch?
    Zwei vergebliche Versuche, den höchsten Berg Afrikas zu erklimmen, hatte Meyer schon unternommen, bevor ihm die Erstbesteigung glückte. Einmal musste er wegen Eis und Kälte in dieser Höhe umkehren, beim nächsten Anlauf waren Aufstände der arabischen Bevölkerung die Ursache für sein Scheitern. Für mich sind dieser Hans Meyer und die mit seinem Namen verbundene Höhle jetzt der erste Fixpunkt; bis dahin möchte ich eigentlich auf jeden Fall durchhalten, denn dann hätte ich die magische 5000-Meter-Grenze geknackt.
    Die gängigen Fragen, wie

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