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Hoehenrausch und Atemnot - Mein Weg auf den Kilimandscharo

Titel: Hoehenrausch und Atemnot - Mein Weg auf den Kilimandscharo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Kaul
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miteinander, die kleinen Scherze, die sie in den Gesprächen mit uns und der Wandergruppe immer wieder gemacht haben, fehlen. Stattdessen spüre ich Anspannung, Konzentration und wohl auch ein bisschen Unsicherheit, wie die hinsichtlich ihres Leistungsvermögens ziemlich unterschiedlichen Gruppen die nächsten Stunden überstehen werden
- von der Lage unseres fünfköpfigen ARD-TV-Teams ganz zu schweigen. Von der Entscheidung, wer von den Technikern, den beiden Kameraleuten und den beiden Reportern mit auf den Kili-Gipfel kommt oder wer aufgeben muss, hängt für uns alle einiges ab. Werden wir die ersten Fernsehleute sein, die live von ganz oben berichten können, oder fällt aus technischen oder gesundheitlichen Gründen unsere ganze Planung in sich zusammen?
    Denn - und das spürt jeder in den Minuten des Aufbruchs von der Kibo-Hütte und ihren 4700 Metern - in den darauffolgenden Stunden wird sich zeigen, ob die Vorplanung der Satellitenausrüstung bis auf den Punkt korrekt war, ob also vom angestrebten Ziel, dem Stella Point in der Kili-Gipfelzone, die notwendige Funkverbindung zu unserer Satellitenbasis an der Horombo-Hütte hergestellt werden kann oder nicht. Keine Rechenaufgabe allein, sondern alles zu einem Großteil von den Wetterbedingungen abhängig, die wir an diesem Morgen oben antreffen werden. Immer vorausgesetzt, Jan, Christian und Axel, unser Kamera- und Technikteam, kommt nicht nur rechtzeitig und heil am Kili an, sondern kann - ebenso wie Philip und ich von der Redaktionscrew - in der Situation, die wir oben antreffen, noch vernünftig arbeiten. Wird die Luft ausreichen, und zwar nicht nur für den Aufstieg, sondern auch für einen längeren Arbeitseinsatz in der Gipfelzone? X-mal haben wir das vor Wochen, Tagen und Stunden auch mit Hubert durchdiskutiert. Es bleibt dabei: Was letztlich machbar ist, entscheidet sich erst oben, und der Gedanke an den großen Unsicherheitsfaktor lässt in diesen Nachtstunden niemanden mehr los.

    Wer aber geglaubt hat, dass wir und unsere Bergwandergruppe mit ihrem Aufbruch zur Geisterstunde die Einzigen seien, die vom Startpunkt der Kibo-Hütte aus nach oben wollen - der hat weit gefehlt!
    Etwa zweihundert Menschen werden es in dieser Nacht sein, die auf unterschiedlichen Routen den Kili bezwingen wollen; die meisten auf unserem Weg. Zwei japanische Gruppen sind schon vor uns gestartet, einige Amerikaner und Australier - alle mit ihren »guides and porters«, den Führern und Trägern - sind nach ein paar Minuten am dunklen Berg nur noch als winzige Lichtpünktchen zu sehen und am Schein der Stirnlampen erkennbar. Ein einheimischer Führer hatte uns noch einmal zur absoluten Langsamkeit ermahnt - wir sollten es nicht so machen wie die Japaner, die seien bekannt dafür, dass sie gleich zu Beginn schon »losbrettern wie die Feuerwehr« und nach Erreichen der 5000-Meter-Grenze dann keine Kraft mehr hätten. Also: langsam, extrem langsam!

Also lässt man das Reden sein
    Ein Blick in die Gesichter meiner Mitwanderer zeigt, dass jeder mit sich selbst beschäftigt ist, und ich spüre bei den ersten Schritten, dass es mir ebenso geht. Volle Konzentration ist wohl nötig - das diktiert mein Kopf meinen Beinen und den Füßen, denn immerhin sind seit unserer Ankunft nach der nervigen Etappe zur Kibo-Hütte erst ein paar Stunden vergangen, die ich, wie die meisten anderen, nicht mit Schlafen, sondern allenfalls
mit wiederholten und gescheiterten Versuchen zugebracht habe, doch ein wenig einzunicken.
    Das bedeutet jetzt kurz nach Mitternacht, jeden Schritt ganz bewusst zu tun; wie genau der Boden aussieht, auf den ich diese Schritte setze, ahne ich eher, als dass ich es sehe - der Lichtkegel meiner Stirnlampe gibt da nicht sehr viel her. Irgendwie ist der Untergrund für meine stabilen Kibo-Treter zwar steinig, aber leider nicht von der stabilen Beschaffenheit, die ich mir für mein Gehen wünschte. Ab und zu rutschen kleine Steinchen weg; es sind zwar nur Zentimeter, die der Fuß dann nach hinten abrutscht, aber das, was ich mir gerade für die Anfangsphase unseres Weges erhoffe - ein Gefühl der Sicherheit beim Nachoben-Gehen -, das bekomme ich nicht.
    Gesprochen wird schon auf den ersten Metern zwischen uns, den Bergaufgehern, kaum etwas. Ich und all die anderen haben wohl realisiert, ohne dass wir allzu groß darüber nachgedacht hätten, dass sich Gehen und Reden einander schon in der Anfangsphase des Aufstiegs im Wege stehen. Also lässt man das Reden sein und ist damit

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