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Hoehenrausch und Atemnot - Mein Weg auf den Kilimandscharo

Titel: Hoehenrausch und Atemnot - Mein Weg auf den Kilimandscharo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Kaul
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der Name der Teilstrecke zum »Last Water Point« verrät, was da auf uns wartet: eine mehr und mehr baumlose Gegend, in der nur noch eine bis zu zehn Meter hohe Senecienart wächst, die passenderweise wegen der hier oft vorhandenen Nebelschwaden den deutschen Beinamen »Gespensterbaum« bekommen hat. An Mooren vorbei geht der Weg dann für Stunden nur noch durch eine Steingerölllandschaft, die der Fantasie nahelegt, man sei auf dem Mond gelandet. Faszination einer nicht enden wollenden Steinwüste.

Ameisen in einer Mondlandschaft
    Unsere Schritte werden immer langsamer, die kurzen Pausen zwischendurch dagegen immer häufiger. Der Teil der Bergwanderer, die schon eine halbe Stunde vor uns gestartet waren, ist schon längst verschwunden - aber auch wir Nachzügler verlieren einander mehr und mehr aus dem Blick.
    Ich beginne, mich danach zu orientieren, wer vom langsamen Schritttempo her ein möglicher Begleiter für die nächsten Minuten sein könnte; ich spüre, wie das gemeinsame Vor- oder Hintereinanderhergehen ein wenig dabei hilft, das eigene Tempo einzuschätzen: Ist es vielleicht zu schnell? Kann ich es mit diesem Tempo für einige Zeit auch mit dem Atmen und Gehen aushalten? Zwischendurch reißen die Wolkenwände unvermittelt ein Stück auf und geben den Blick auf den Kili frei, bevor
dieser wie eine Fata Morgana wieder verschwindet. Wir kommen nun in eine Landschaft, die eine wunderbare Möglichkeit zur Meditation bietet: Von einem der Hügel aus gesehen, wirken wir Wanderer wie winzige Ameisen, die vor der endlosen Kulisse einer graubraun eingefärbten Steinwüste kaum wahrnehmbar sind. Hier werden unsere Vorstellungen von einer Mondlandschaft erfüllt.
    Ab und zu begegnen wir in den frühen Nachmittagsstunden Rückkehrern vom Berg. Wir können dann eine Verschnaufpause einlegen, und sei sie noch so kurz, und dabei die Gesichter der anderen Wanderer gierig nach Informationan absuchen: Wie war es beim Aufstieg auf den Kili - Daumen nach oben oder unten? Ein paar deutsche und amerikanische Bergwanderer signalisieren: Ja, oben waren wir, aber nicht alle aus unserer Gruppe - einige mussten abbrechen. Die Kälte in der Nacht war zu groß, die Kraftreserven reichten nicht. Aus.
    Und die, die es geschafft haben, sind allesamt nicht sehr gesprächig, sie wirken eher ein wenig gehetzt. Denn die Schlafplätze in der Kibo-Hütte sind nur für die bestimmt, die nachts ihre Tour zum Gipfel starten - die Rückkehrer müssen den ganzen Weg bis zur Horombo-Hütte von 5800 zurück auf 3700 Meter Höhe in einem Durchgang schaffen. Und so sehen sie denn auch aus: etwas gebeutelt, ziemlich geschafft und nur mit dem einen Wunsch, die überanspruchte Muskulatur möglichst rasch in die tiefer gelegene Hütte zum Ausruhen zu bringen. Ihr »Good luck« als freundlicher Gruß an uns, die Aufsteiger, gerichtet, dabei belassen sie es. Sie haben keine Zeit zu verlieren beim heiß ersehnten Abstieg.

Weiter, immer weiter nach oben
    Wie wir mit unserer Gruppe in den nächsten Stunden mit den sich fast im Minutentakt ändernden Wetterbedingungen zurechtkommen, was unsere Atmung inzwischen für Kapriolen schlägt - keiner will sich da mehr festlegen. Einer unserer Kameraleute signalisiert, dass er zurückbleiben will: »Lasst mich nur - ich sehe dann mal zu, wie ich weiterkomme!« Und ganz ehrlich müsste dieser Satz mit einem kleinlauten: »Ich sehe mal zu, ob ich überhaupt weiterkomme« fortgesetzt werden. Wenig, sehr wenig wird jetzt noch untereinander gesprochen, die fröhliche »Klassenausflugsstimmung« der ersten Etappe ist endgültig verflogen. An einem vorher verabredeten Punkt treffen wir auf Hubert und seine Spitzencrew: Wo denn die anderen seien, es werde spät - bald zu spät, denn eine kurze Ruhepause solle es in der Kibo-Hütte doch noch geben! Die Mitwanderer in Huberts Gruppe haben seinen kleinen Appell an uns und an die, die noch weit hinter uns liegen, gar nicht mehr abgewartet. Sie gehen schon weiter, weiter nach oben.
    Jetzt stellt sich heraus, dass jeder Einzelne sich mehr und mehr an sich und den eigenen Zielen orientiert. Möglichst früh an der Kibo-Hütte anzukommen sichert nicht nur bessere Schlafplätze vor dem mitternächtlichen Aufbruch; vielleicht - nein, sicherlich - wird die längere Ruhezeit auf der Hütte die Chance für den Gipfelanstieg vergrößern. Inzwischen denkt fast jeder erst einmal an sich und wie er selbst sein Ziel erreichen kann.
    Und wie geht es mir bei diesen Versuchen, eine akzeptable

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