Hoehepunkte der Antike
er alles daran, diese Prophezeiung wahr werden zu lassen: Als er dann – noch keine 33 Jahre alt – überraschend
in Babylon starb, da war er mehr geworden als nur Herr von Asien: Er hatte die äußersten Grenzen der
oikumene
erreicht, ja sie sogar überschritten. Gestoppt wurde er von seinem eigenen Heer, das die unermesslichen Strapazen schließlich
leid war und ihn zur Umkehr aus Indien zwang. Doch als König der Makedonen und Hegemon des Korinthischen Bundes, Pharao von
Ägypten und König von Asien war er Herrscher über ein Gebiet geworden, das sich von Makedonien und Hellas bis Kleinasien erstreckte,
von Syrien und Phönikien bis in das alte Reich Ägypten und über das uralte Zweistromland bis nach Medien und die Persis, von
den Gebirgen des Ostiran bis zum Indus. Er sah sich nun nicht länger als Sohn Philipps, sondern als Sohn des Zeus-Ammon und
rechtmäßigen Nachfolger der persischen Dynastie der Achämeniden. Am Ende hatte Alexander die Herrschaft über Asien gewonnen,
doch Asien unzweifelhaft auch die Herrschaft über ihn.
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|84| Der Leuchtturm von Alexandria und die Kultur des Hellenismus
MANFRED CLAUSS
Wir befinden uns im Wortsinn auf einem Höhepunkt, 130 Meter über dem Meer, auf der obersten Plattform des Leuchtturms von
Alexandria, des – nach Cheops- und Chephren-Pyramide – höchsten Gebäudes der antiken Welt. Zu unseren Füßen liegt Alexandria,
die „Krone aller Städte“, die neben Rom größte Metropole der Antike. Sie trägt den Namen ihres Gründers, mit dem der Zeitabschnitt
begann, den wir Hellenismus nennen. Der Leuchtturm, der Pharos, steht in der Einfahrt zum ,Großen Hafen‘, der wichtigsten
der drei Hafenanlagen der Stadt, und ist ihr Symbol, weshalb der römische Dichter Martial Alexandria als die Stadt des Pharos
bezeichnete. Dieser Leuchtturm wurde zu den sieben Weltwundern des Altertums gezählt. Drei Stockwerke hoch, aus Marmor erbaut
oder zumindest damit verkleidet, wies er die typische Fassadenwirkung hellenistischer Bauten auf und war ebenso ein unentbehrlicher
Wegweiser an der flachen Mittelmeerküste Nordafrikas wie ein Symbol der neuen Herrschaft der Ptolemäer. Zur Verstärkung des
an seiner Spitze befindlichen Leuchtfeuers dienten Spiegel. Über der Feuerplattform stand – wie die Münzen bezeugen – als
Krönung der gesamten Anlage eine Statue des Zeus Soter.
Bei einem derartigen Bauwerk war bereits die Antike lebhaft an der Frage nach dem Bauherrn oder dem Stifter interessiert.
Der Geograph Strabon zitiert in augusteischer Zeit eine Inschrift, die damals noch existierte und sich nach Auskunft eines
späteren arabischen Autors aus dem Jahr 1166 n. Chr. an der Ostseite befand, so dass die in den Hafen einlaufenden Seeleute
und Passagiere sie zu ihrer Linken lesen konnten. Das früheste Zeugnis für diese Weihung ergibt sich aus einem Text des Poseidippos.
Das Gedicht, vielleicht anlässlich der Eröffnung verfasst, erwähnt keinen König; allein Zeus Soter wird genannt:
|85| Und der Seefahrer läuft auf das Stierhorn zu,
dennoch verfehlt er weitersegelnd, o Proteus, Zeus Soter, das Ziel nicht.
(Inschrift HGE 92)
„Stierhorn“ ist eines jener bekannten und gefürchteten Riffe in der Hafeneinfahrt, dem auch die entsprechende Fahrrinne ihren
Namen verdankt. Als Plinius d. Ä. (
Naturgeschichte
36,83) im ersten Jahrhundert der Kaiserzeit auf den Leuchtturm zu sprechen kommt, erwähnt er einen Architekten Sosikrates
aus Knidos, dem der König erlaubt habe, seinen Namen auf dem Gebäude zu verewigen. „Sosikrates“ stand also dort zu lesen.
Es handelt sich jedoch nicht um einen Architekten, sondern – wie wir aus anderen Quellen wissen – um einen Diplomaten, der
den Bau des Leuchtturms veranlasste und bezahlte; den Namen eines ,Handwerkers‘ an so prominente Stelle zu setzen wäre sehr
ungewöhnlich gewesen. Als man sich in der Kaiserzeit nicht mehr vorstellen konnte, dass derartige Bauten nicht auf den Herrscher
selbst zurückgingen, missverstand man das „er errichtete“ früherer Autoren und bezog es konkret auf die Planung und Durchführung
der Arbeiten, und Sosikrates wurde zum Architekten ,degradiert‘. Doch auch er wurde rasch vergessen. In der Spätantike pries
man die Königin Kleopatra als Erbauerin des Pharos, in arabischer Zeit Allah selbst.
Blick vom Leuchtturm
Der erste Eindruck, der sich von der Höhe des Leuchtturms aufdrängt, ist, dass
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