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Höhlenangst

Höhlenangst

Titel: Höhlenangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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bei Strafe verbot, nicht gesehen. Außerdem stehe es da nur auf Deutsch, und überhaupt, in französischen Höhlen sei das alles gar kein Problem.
    »Auch in Frankreich«, entgegnete Hark, »stehen Höhlen unter Naturschutz.«
    Janette zückte die Kamera.
    Der Franzose hob abwehrend die Hände. »Boche!«
    »Wollen Sie gleich zahlen, oder müssen wir erst die Polizei rufen?«, fragte Hark emotionslos.
    »Das Höhlenkrokodil, wie es leibt und lebt!«, wisperte Janette. »Immer wenn es kritisch wurde, pflegte er zu sagen: ›Entweder wir sterben, oder wir kommen um.‹ Erzählt Winnie immer wieder gern.«
    Der Franzose schien seine Lage ähnlich zu sehen.
    Alsbald konnte der Mann am Kassenschalter ihm die Quittung ausstellen. Der Franzose zog mit gehisstem Stinkefinger ab.
    »Müssen wir eigentlich Eintritt zahlen?«, erkundigte sich Janette aufgeräumt und ließ das Zoom einfahren.
    Das konnte Hark nicht entscheiden, und Winterle kam in Verlegenheit. Am Ende war es nur Janette, die mit ihrem Presseausweis freie Passage durch die Schleuse erzwang. Und natürlich erließ man dem Vorsitzenden des Naturforschenden Vereins Schwäbische Alb ebenfalls den Eintritt.
    »Ich weiß, es ist irrational«, machte hinter der Schran ke die junge Mutter am Kinderwagen einen letzten Versuch, »aber ich habe das Gefühl, der ganze Berg könnte über uns einstürzen.«
    »Das wäre wie sechs Richtige im Lotto«, rief Janette. »Das trifft auch immer nur die anderen.«
    »Ich weiß nicht!«, zögerte die Mutter.
    »Was macht man gegen Klaustrophobie?«, fragte ich Hark. »Was macht ihr, wenn plötzlich einer unter euch in Panik gerät?«
    »Wir versuchen die realen Gefahren von den eingebil deten zu trennen. Steinschlag ist eine reale Gefahr. Aber das Gefühl, die ganze Höhle könnte einstürzen, ist irreal.«
    »Da hören Sie es!«, sagte Janette. »Jetzt probieren wir es einfach. Sehen Sie, es geht ebenerdig rein. Sie können einfach umdrehen und hinauslaufen, wenn es doch nicht geht.«
    Das überzeugte.
    »Nach dir«, sagte ich, als Hark auch mich an sich vorbeilassen wollte.
    »Du irrst dich, Lisa«, raunte er mir ins Ohr.
    In der Tat, so sah kein Mann aus, dem Höhlen Angst machten. Vermutlich war er im Restaurant in Engstingen nur deshalb nicht in den Toilettenkeller hinuntergestiegen, weil er seinem Knie nicht traute. Und Gerrit glaubte, sein Vater habe Angst vor Höhlen, weil er selbst Angst hatte. Kinderängste in der Einsamkeit fehlender Erklärungen für die Tragödie, die sich Vater und Mutter bereitet hatten.
    Die Bärenhöhle war ein Tropfsteingebiss mit Maulkorb, gezähmt bis in jeden Winkel. Ein betonierter Pfad führte in den mannshohen Höhlenmund. Unter den Lampen im Gang grünten Moose und Farne, und in der ersten großen Halle bot ein lichtes Loch rechts oben dem Auge ein Fenster in den Tag.
    »Das ist die Karlshöhle«, sagte Hark auf Englisch in die erwartungsvollen Augen seiner Gruppe hinein. »Sie wurde 1834 entdeckt. Hier oben sieht man das so genann te Fauthsloch, benannt nach dem Schullehrer Fauth, dem einst beim Kräutersammeln die Tabaksdose durch dieses Loch entschwand.«
    »Ach, bist du etwa verwandt mit dem?«, entfuhr es mir.
    »Ja. Und das war auch der Grund, warum ich mit vierzehn angefangen habe, mich für Höhlen zu interessieren, vor allem für das, was man in ihnen findet. Schulmeister Fauth erweiterte damals das Loch und ließ sich an einem Seil hinab. Er fand unzählige Menschen- und Tierknochen aus dem Mittelalter. Vermutlich haben die Menschen damals kranke Tiere und Pesttote durch das Loch in die Höhle geworfen. Seine Tabaksdose hat Fauth al lerdings nie wiedergefunden.«
    »Fantastic!«, rief der junge Amerikaner. »And the bears?«
    »Die eigentliche Bärenhöhle wurde erst rund hundert Jahre später entdeckt, weil einem gewissen Karl Bez zwei Fledermäuse zu denken gaben, die am Ende dieser Halle aus einem Spalt kamen. In der Halle dahinter fand man die berühmten, mehr als zwanzigtausend Jahre alten Bärenknochen. Ein Braunbärenskelett hat man wieder aufgestellt. Aber viel interessanter sind die Schädelknochen des ausgestorbenen Höhlenbären, die man links hinter dem Durchgang sieht. Sie waren größer als die Braunbären und fraßen, den Backenknochen nach zu schließen, fast ausschließlich Pflanzen. Besonders schön anzusehen: Die Schädelknochen sind übersintert, also mit dem Kalkstein überzogen, aus dem sich auch die Tropfsteine bilden, wenn der im Berg gelöste Kalk an der

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