Höhlenangst
Anwalt sich nicht mal bei mir melden können?«
Richard lächelte verlegen. »Ich habe ihm deine Festnetznummer gegeben, aber die von deinem Handy habe ich leider nur auf meinem Handy, nicht in meinem Kopf gespeichert.« Endlich gelang ihm der erste Schluck Kaffee. »Und«, fragte er mit einem kurzen Blick aus dem Fenster zum Bunker der Staatsanwaltschaft hinüber, »gab es Probleme?«
»Deine Frau Kallweit hat mich gestellt, und es fehlte nicht viel, und es wäre an der Pforte zu einer Leibesvisitation gekommen. Deine Schatzkarte hatte ich im Stiefel versteckt.«
Er lachte.
»Aber was ich nicht ganz verstehe, Richard. Wozu? Abele hätte aus den Zahlen niemals eine Anklage konstruieren können, wenn der General Bescheid weiß und alles auf einem Treuhandkonto liegt.«
Er blickte mich über den Becherrand hinweg an. »Nun ja, der General weiß es erst seit Mittwoch. Ich saß gerade bei ihm, als du anriefst. Dabei hatte Kallweit absolutes Verbot, irgendwelche Anrufe durchzustellen, schon gar keine für mich auf den Apparat des Generals. Ich hatte nur eine halbe Stunde, ihm die ganze Räuberpistole mit Leiche zu erzählen, und hielt es darum nicht für angera ten, ihn schon zwei Tage später damit zu belasten, dass er mir öffentlich das Vertrauen aussprechen muss.«
»Du bist doch der geborene Schlawiner!«
Er schmunzelte.
»Übrigens habe ich in deinem Tresor auch meine Akte wiedergesehen.«
Richard zeigte nicht den Hauch von Gewissen. »Und was hast du damit gemacht?«
Ich hob die Hände und feixte. »Und noch eine Kopie wirst du davon ja nicht haben.«
Er senkte den Blick in seinen Becher. Unten bremste eine Stadtbahn. An der Ampel startende Motoren hallten im Häuserschacht wider. Richard war, bevor er sich bei mir zurückmeldete, offensichtlich bei sich zu Hause gewesen und hatte den Abendanzug, in dem er verhaftet worden war, gegen ein für seine Verhältnisse legeres grünliches Sakko, ein lindgrünes Hemd mit offenem Kragen und dunkelbraune Hosen getauscht.
Dabei fiel mir auf, dass ich tatsächlich im Begriff gewesen war, so aus dem Haus zu gehen, wie ich mich nach dem Aufstehen unter den Nachwirkungen von Sallys Betäubungsmitteln angezogen hatte, in Jogginghosen und fleckigem Sweatshirt. So ganz war ich immer noch nicht wieder bei mir. Ich zog mich kurz mal zurück. Richard stöberte mich auf, als ich sauber und adrett vor dem Badezimmerspiegel mit Mascarabürstchen und Lidschatten klapperte.
Da auf der Ablage unterm Spiegel meine Make-up-Stress-Kippe qualmte, zündete auch er sich eine an und griff nach der Funduhr auf der Ablage vor dem Spiegel. »Patek Philippe? Was trägst du neuerdings für teure Uh ren. Zeigen sie eine qualitativ hochwertigere Zeit an?«
»Zu deiner Beruhigung, sie gehört mir nicht. Ich habe sie in der Mondscheinhöhle gefunden, noch bevor ich wusste, dass ich auf eine Leiche stoßen würde. Weder Hark noch Florian oder Bodo haben erkennen lassen, dass sie ihnen gehört.«
»Winnie auch nicht?«
»Winnie war Höhlenkletterer. Er hätte sie sich wiederholen können.«
»Aber hätte er das auch getan, wenn er sie beispielsweise im Kampf mit Haugk am Höhlenmund oder in der Höhle verloren hätte?«
»Sie ist so viel wert wie ein Kleinwagen. Er hätte!«
»Oder er hat beim ersten Bergungsversuch eigentlich diese Uhr gesucht. Dabei könnte Winnie übrigens auch Haugk durch den Spalt etwas tiefer befördert haben, um behaupten zu können, da sei keine Leiche. Leider hat Hark Fauth ihm mit seinem Vorschlag einen Strich durch die Rechnung gemacht, eine Kamera hinunterzulassen. Ein Vorschlag, den Winnie auch selbst hätte machen können, denn er war doch der Exkursionstechniker, oder nicht?«
»Und weil er die Uhr nicht fand, hat er dein Handy als Fundstück deklariert, um von sich abzulenken, was ihm ja auch gelungen ist. Wie auch immer er allerdings auf dem Trüpl an dein Handy gelangt sein mag.«
Richard schwieg.
»Allerdings«, sagte ich, »hätte ich an seiner Stelle eine Uhr, die ich bei einem Mordanschlag verloren hätte, gleich geholt.«
»Das glaube ich nicht«, sagte Richard langsam. »Denn wie sicher hättest du sein können, dass der Unglückliche im Schacht nicht noch lebte. Wenn er Wasser vom Sinter geleckt hat, hätte er drei Wochen überleben können, auch mit gebrochenem Bein. Winnie hat ihn ja nicht totschlagen müssen, um ihn als möglichen Zeugen seines Landminenhandels zum Schweigen zu bringen. Übrigens in völliger Verkennung der geringen Strafe,
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