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Höhlenangst

Höhlenangst

Titel: Höhlenangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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Wickel. Der Schatten hat te seinen zum Todfeind mutierten Helden verhaften lassen, um ihn zu vernichten, so wie Richard ihn vernichtet hat te. Und wenn die Beweise nicht reichten? Denn den seiner Bestechlichkeit hatte Richard mich aus seinem Safe ho len lassen. Was also nun, Herr Abele? Selbstmord in U-Haft? Und hinterher die offizielle Mitteilung, der angesehene Staatsanwalt habe die Schmach einer drohenden Anklage wegen Bestechlichkeit nicht ertragen können.
    Mein Puls sprengte mir das Hirn. Ich wankte in die Küche und goss einen halben Liter Wasser in mich hinein. Es kühlte, aber half nicht. Ich konnte nicht mehr denken.
    Nachts um halb zwei erlebte ich bibbernd meine eige ne Auslieferung an die Mordbuben im Polizeigewahrsam wieder. Du sitzt einer Analogiebildung auf, warnte ich mich. In der Tat, du hast dein Trauma nicht verarbeitet. Du fühlst dich ausgeliefert und kotzt vor Angst, dass sie dasselbe mit Richard machen. Auch das half nichts. Denn der Umkehrschluss, dass ihm nicht widerfahren konnte, was mir passiert war, entsprach auch nicht aristotelischer Logik.
    »Sally, i … i … ich gl … glaube, Richard is … st tot«, häckselte ich ins Telefon.
    »Ich komme«, antwortete sie.
    Zum Glück musste sie nur die alte Schäferhündin Sen ta anleinen und von der Friedenskirche die Werrastraße herablaufen. Zwei Minuten später, und ich wäre unterwegs gewesen, um mir eine Waffe zu besorgen und mir in Reutlingen den Weg zu Richard freizuschießen.
    »Ganz ruhig, Lisa!«, sagte Sally. »Überlegen wir doch mal!«
    »Vermutlich«, fiel mir ein, »ist er gar nicht mehr im Polizeigewahrsam in Reutlingen, sondern in einem Untersuchungsgefängnis.« Die Angst schoss mir erneut in den Anus. »Aber sein Anwalt hätte sich dann längst bei mir melden müssen. Ich habe doch die Schatzkarte. Nein, Sally. Er ist tot.«
    »Aber, Lisa, wir leben doch nicht in einer Bananenrepublik!«
    Steinschlag war eine reale Gefahr; dass die ganze Höhle einstürzte, war irreal. Der Weg aus der Angst führt durch die Angst. Hark hatte die Höhle nach ein paar Minuten verlassen können. Aber vor mir lag ein ganzes Wochenende.
    »Und vielleicht hat er sich gar keinen Anwalt genommen«, redete Sally auf mich ein. »Und jetzt zieh dir was an. Du schläfst bei mir.«
    »Er muss sich einen Anwalt nehmen. Wegen der Akteneinsicht. Und der muss mich anrufen, sonst weiß Richard doch gar nicht, ob ich seinen Safe geknackt habe.«
    »Der ruft sicher morgen an.«
    Sie stopfte meine spastischen Glieder in Pullover und Jacke. Nach dem Marsch die Werrastraße hinauf und nach den achtzig Stufen in ihre Wohnung war mir wenigstens warm.
     

36
     
    A m Samstag gingen wir trocken-shoppen. Sally hatte mir aus ihrem Giftschrank Betäubungsmittel für Elefanten ins Getränk gemischt, und ich waberte neben ihr die Königstraße entlang. Bei Breuninger brachten wir Stunden in den Markenabteilungen für die gehobene Dame mit Untergewicht zu. Bei Fischer probierte sie Vierhundert-Euro-Pullover, bei Bally Sneakers und Sandaletten mit passenden Handtaschen. Upperclass an den Füßen und über der Schulter – dazwischen Jeans und dicke Waden – stöckelte sie übers Parkett des Ladens und fühlte sich für zwei Minuten wie Apres-Ski in Sankt Moritz. »Und bei Bogner gehen wir nachher auch noch schnell rein, ja?« Sally liebte Anprobetouren ohne Geld im Säckel. Zur Not bezahlte ich mit Karte, etwa, wenn sie an einer Handtasche doch nicht vorbeikam.
    An den Sonntag erinnere ich mich nicht. Am Montag erwachte ich aus der Betäubung und besorgte mir das Reutlinger Tagblatt. Janette hatte nicht mit dem Wörtchen »mutmaßlich« gespart und Richard mit Titel und Foto als Hauptverdächtigen in einem blutigen Fall von Korruption und Betrug platziert, zusammen mit Haugk und Winnie als Opfer eines Skandals, der seine Kreise bis in die Stuttgarter Staatsanwaltschaft ziehe. Von einem Handel mit Landminen wagte sie nicht zu reden, aber von einem Sprengmittelingenieur, der tief im kalten Grab einer Höhle ruhe und nicht mehr als Zeuge aussagen könne, nachdem er zunächst Kontakt zu dem nunmehr in Haft sitzenden Oberstaatsanwalt Richard Weber aufgenommen habe. Selbiger Staatsanwalt habe, ersten Ermittlungen zufolge, über mehrere Jahre hinweg Schmiergelder erhalten, hinter denen möglicherweise ein renommierter Bauunternehmer von der Münsinger Alb stecke.
    Ich rief die Justizvollzugsanstalten durch und wurde in Rottenburg fündig. Die Angst, die mich Freitagnacht erwürgt

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