Höhlenwelt-Saga 02 - Leandras Schwur
Wir alle leben nicht gerade davon, dass wir wohltätig sind.«
»Oho!«, machte Guldor spöttisch und vollführte eine allumfassende Geste. »Ich dachte immer, du seist der Beschützer der Armen!«
»Ich raube sie wenigstens nicht aus, so wie du es tust!«, gab Jacko geringschätzig zurück. »Und ich entführe keine Menschen - besonders junge Mädchen -und zwinge sie zur Hurerei oder verkaufe sie an irgendwelche finsteren Leute.«
Guldor zuckte teilnahmslos die Schultern. »Man muss sehen, von was man lebt«, erklärte er.
»Ich habe mich auch nicht eingemischt, als ich erfahren habe, dass du miese und krank machende Rauschmittel aus Vulkanoor durch deine Huren verkaufen lässt. Obwohl ich das vielleicht hätte tun sollen.«
Guldor musste grinsen und hob die Hände. »Na, wenn du mir das alles nicht für übel nimmst - dann bin ich gespannt, was dich nun wirklich stört!«
Leandra spürte, dass diese magische Kraft sich immer stärker aufbaute. Daran sowie an der immer massiver werdenden Gegenwart stygischer Kräfte ließ sich ermessen, dass hier kein Anfänger am Werk war. Im Gegenteil, es musste sich um einen Meister handeln, und er kam, so viel war sicher, aus den Reihen der Bruderschaft. Ihr wurde flau im Magen.
»Mich stört«, sagte Jacko, »dass du mit den falschen Leuten zusammenarbeitest. Mit der Bruderschaft. Dir ist es egal, ob Savalgor oder ganz Akrania vor die Hunde gehen - wenn du nur einen Gewinn davonträgst! Du hast keine Ehre im Leib, du Hund! Wenn dich niemand aufhält, werden durch deine Umtriebe zahllose Leute sterben.«
Guldor schnitt eine Grimasse. »Es schmeichelt mir, dass du mir so viel Macht zuschreibst. Aber sag: Wer ist diese ... Bruderschaft?«
Jacko erachtete es nicht für nötig, Guldor darauf zu antworten. »Du hast eine einzige Chance«, sagte er. »Ergib dich und verschwinde aus der Stadt. Weit weg. Dann kannst du am Leben bleiben.«
Guldor leistete sich ein mitleidiges Lächeln. Dann wurde seine Stimme scharf. »Dein Fehler, du Bauer, ist noch immer, dass du mich unterschätzt. Glaubst du, ich würde mich dir hier, auf eigenem Grund und Boden, einfach ausliefern? Glaubst du, ich vermag mich nicht zu schützen?«
Irgendetwas schwoll in diesem Augenblick auf der magischen Ebene machtvoll an. Leandra wusste, dass es gleich losgehen würde. Und sie hoffte, dass sie den ersten Schlag überhaupt überleben würde. Die Kraft, die sich dort aufbaute, war beängstigend. Sie löste sich von Jacko, hoch konzentriert, und trat seitlich von ihm weg.
»Ah - da ist sie ja!«, rief Guldor aus. »Unsere kleine Adeptin!«
Leandra ließ sich nicht ablenken und durchforschte mit Blicken den Raum.
Jacko langte mit der Rechten über die Schulter und zog mit einem singenden Geräusch seinen mächtigen Zweihänder, den er wie damals schon, in seiner Scheide steckend, auf dem Rücken trug. Im gleichen Augenblick traten seine Leute auseinander, jeder von ihnen zog seine Waffe und alle gingen in Angriffsstellung. Vendar, der den Türwächter hielt, zog sich mit ihm an die Wand zurück und drückte ihm seinen Dolch noch fester an die Kehle. Der Mann ächzte.
»Letzte Gelegenheit«, sagte Jacko, der in leicht gebeugter Haltung sieben oder acht Schritte vor Guldor stand und den riesigen Zweihänder auf seinen Gegner gerichtet hielt.
»Letzte Gelegenheit für dich!«, schrie Guldor plötzlich. Er wandte sich um und hechtete nach unterhalb der Holztreppe, um sich dort zu verbergen. Das war zweifelsfrei das Signal für den Angriff.
Plötzlich sprangen hinter dem Tresen fünf oder sechs mit Schwertern bewaffnete Männer auf und oben auf der Empore traten drei oder vier weitere hervor.
»Eine Falle!«, schrie Leandra und sprang zur Seite.
Im selben Augenblick traf eine gleißende Lanze kalt glühender blauer Funken den Ort, an dem sie eben noch gestanden hatte, und brannte ein klaffendes Loch in den Holzfußboden. Beißender Qualm stieg auf. Sekunden später hörte sie das typische Geräusch losschnappender Armbrüste, und zwei, drei verzweifelte Schreie zeugten davon, dass Jacko oder mehrere seiner Männer getroffen worden waren.
Leandra rollte sich ab, spürte im nächsten Augenblick schon wieder etwas und sprang gleich noch ein Stück weiter. Ein schwerer Holztisch, unweit der Stelle, an der sie sich eben noch befunden hatte, zerbarst mit einem trockenen Knall. Dutzende Splitter trafen sie von rechts, glücklicherweise war jedoch keiner darunter, der sie verletzte. Sie stöhnte auf und
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