Höhlenwelt-Saga 02 - Leandras Schwur
vorüber war. Sie würde niemanden umbringen, wenn es sich vermeiden ließ, aber sie beabsichtigte auch nicht, dieses Pack von Guldor, das ganz klar mit der Bruderschaft unter einer Decke steckte, noch einmal zum Zuge kommen zu lassen.
Sie benötigte einen Augenblick, um ein Hoxa-Aurikel der sechsten Iterationsstufe zu setzen, eine mächtige Luftmagie. Einen weiteren Augenblick später ließ sie mit einer weitschweifenden Geste die Magie losbrechen: Vor ihr setzte sich ein flimmernder Luftwall in Bewegung, und es war ein Glück, dass sie ausgerechnet diese Magie wirkte. Ein halbes Dutzend Pfeile, die Bogenschützen im Hintergrund auf sie abgefeuert hatten, wurden davongewirbelt und verfehlten ihr Ziel weit. Dann traf der Luftwall auf die voranstürmenden Männer und fegte sie durcheinander wie ein heftiger Windstoß, der in einer Gasse trockenes Laub aufwirbelte.
Die Magie mochte vergleichsweise verteidigend und schonend erscheinen, aber das war sie nicht. Die Unglücklichsten wurden zehn, fünfzehn Schritte in die Luft hinaufgewirbelt und stürzten schwer zu Boden. Viele dieser Männer standen erst einmal nicht mehr auf. Die anderen wurden mehrere Schritte weit nach hinten gedrückt, und das Ergebnis war, dass die Gasse wenige Augenblicke nach Leandras Magie leergefegt war.
Sie stieß einen verzweifelten Fluch aus.
Vielleicht hatte sie jemanden umgebracht. Das war das Allerletzte, was sie wollte, nicht einmal jetzt, da ein offener Krieg ausgebrochen war. Sie hatte diesen abartigen Kerl von einem Magier dort oben im Zimmer der Mädchen getötet - zielgenau und mit voller Absicht. Sie hatte keine andere Wahl gehabt, und dieser Dreckskerl war wahrlich keiner, dem man nachweinen müsste. Aber dennoch empfand sie ihre kalte, berechnende Tat als abstoßend. Nein, so tief hatte sie nie sinken wollen, einen Menschen eiskalt töten zu wollen. Und dass der Krieg als solcher einem oft oder meistens keine Wahlmöglichkeit mehr ließ, tröstete sie nicht im Mindesten. Sie hoffte, dass sie sich eines Tages nicht dafür hassen würde, was sie hier tat - was sie hier tun musste.
Ihre Magie hatte sich in dieser engen Gasse als sehr wirkungsvoll erwiesen. Ihr blieben nun sicher ein paar Minuten Zeit, bis die nächste Angriffswelle kam. Aber sie vermutete, dass spätestens dann ein Magier beteiligt sein würde - oder gleich mehrere.
Sie duckte sich, eilte in den Eingang des Roten Ochsen zurück und behielt die Straße im Auge. Vendar folgte ihr und nickte anerkennend. Als er den Mund öffnete, um eine Bemerkung anzubringen, winkte sie unwirsch ab.
»Vergiss es«, zischte sie wütend. »Ich bin nicht wie ihr. Ich hasse es, Leute umzubringen. Ich hoffe nur, dass all dies bald vorbei ist.«
33 ♦ Schwertmagie
Die drei Männer hatten ihre Schwerter gezogen und sie eingekreist.
»Es ist besser, du kommst gleich mit«, empfahl ihr der eine. Es war ein hagerer Kerl mit einer fast vollständigen Glatze - obwohl er noch nicht alt zu sein schien. »Gegen uns kommst du nicht an. Und es würde mir Leid tun, dir was antun zu müssen!«
Hellami ächzte leise.
Sie dachte schon, jetzt sei es aus, aber dann hatte sie plötzlich ihr Schwert gezogen - sie wusste gar nicht, wie. Es lag leicht in ihrer Hand, diese Jambala-Nachbildung; leichter als beim letzten Mal, soweit sie sich erinnern konnte. Aber das war eine Weile her.
»Schau nur, wie hübsch sie aussieht, mit ihrem Schwert!«, spottete ein anderer der Männer.
Hellami war kampfbereit. Obwohl sie nicht die geringste Vorstellung besaß, wie ein Schwertkampf zu führen war, fühlte sie eine seltsame Gewissheit in sich, dass sie die Männer in die Flucht schlagen konnte. Verwundert musterte sie die Klinge des Schwertes. Hatte Leandra ihr etwa irgendeine Magie eingegeben?
Die Männer schienen zu zögern. Hellami erkannte, dass sie einen Vorteil besaß - auf einen gänzlich nackten Menschen einzuschlagen, dazu noch auf eine Frau, war wohl noch keinem von ihnen abverlangt worden. Die Männer wirkten gehemmt.
Sie schüttelte entschieden den Kopf. »Ich komme nicht mit«, sagte sie. »Da müsst ihr mich schon umbringen.«
Sie sah, dass diese Worte ihre Wirkung taten. Die Männer wirkten nun noch unentschlossener. Dabei meinte es Hellami durchaus ernst. Würde sie Chast in die Hände fallen, hatte Leandra verloren. Chast würde sie erpressen, und Hellami wusste, dass Leandra dann tatsächlich aufgeben würde. Sie war nicht die Sorte Mensch, die über die Leiche eines Freundes hinweg
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