Höhlenwelt-Saga 02 - Leandras Schwur
diesem Duuma-Magier im Roten Ochsen selbst erlebt und hätte sich beinahe nicht dazu entschließen können, den Mann zu töten.
Sie stieß ihn mit der Faust vor die Brust. Er taumelte einen weiteren Schritt zurück. »Na? Was ist?«, rief sie, ihre Stimme voll schneidender Schärfe. Die Männer hinter dem Magier wichen ebenfalls zurück, offenbar verfehlte ihr seltsamer Auftritt seine Wirkung nicht.
»Bist du ... die Adeptin?«, fragte er, sichtlich erschüttert.
Sie nickte. »Ganz recht. Und du musst der Kerl sein, der eben diese Schweinerei von einer Magie gewirkt hat! Weißt, du, was ich jetzt mit dir mache? Mit dir und deinem verfluchten Pack?«
Sie spürte, dass er Kontakt zum Trivocum aufnahm, aber er war dabei nicht sonderlich geschickt. Es dauerte zu lange, und sein Versuch, eine Öffnung hineinzureißen, misslang kläglich. Obwohl Leandra allen Grund gehabt hätte, diesen Kerl auf der Stelle zu Asche zu verbrennen, tat sie es nicht. Noch immer verspürte sie keine Lust, so zu werden wie ihre Gegner. Sie nutzte ihren Vorteil, nahm einen raschen Schritt Anlauf und trat dem Kerl mit aller Kraft gegen die Brust. Er verlor sofort das Gleichgewicht, stürzte hintenüber und riss seine gesamte Mannschaft, die nah hinter ihm drein marschiert war, mit sich in die Tiefe.
Die Treppe war vergleichsweise steil und des Ergebnis war durchaus befriedigend. Die Männer polterten unter Geschrei ein gutes Stück abwärts; viele mussten sich verletzt haben, bis sie endlich zum Stillstand kamen. Leandra hörte bald nur noch das Gestöhne und Geächze des ganzen Trupps, der irgendwo dort unten übereinander gepurzelt sein musste.
Sie schloss kurz die Augen, um sich auf den Schlüssel einer Wassermagie zu besinnen. Sie fand ihn und setzte ein machtvolles Aurikel der sechsten Iterationsstufe. Stygische Energien begannen zu fließen, die dem unter ihr liegenden Gang schlagartig die Wärme entzogen. Innerhalb von Sekunden verwandelten sich sämtliche Wassertröpfchen in der Luft zu Eiskristallen. Die Wände des Treppenganges beschlugen augenblicklich mit Reif und ein klirrend kalter Frosthauch fuhr in die Tiefe hinab.
Sämtliche Männer dort unten mussten, nach ihrem Aufenthalt in den Grotten, feuchte Kleider tragen; sie hatte es gemerkt, als sie dem Magier ihre Faust gegen die Brust gestoßen hatte. Erstickte Schreie drangen von unten herauf und die zu schneidendem Frost erstarrte Luft drang wie eine eisige Bö in die Tiefe. In der sechsten Iterationsstufe würde diese Frostmagie eine Kälte wie in den eisigsten Gegenden von Vulkanoor hervorrufen, und das war für Leute in nassen Kleidern eine sehr üble Sache. Wenn dem Magier dort unten nicht sehr bald eine Gegenmaßnahme einfiel, würden einige von ihnen Erfrierungen davontragen. Leandra hoffte darauf, dass sie das für einige Zeit beschäftigen würde.
Langsam zog sie sich zurück. Derin müsste inzwischen seine Aufgabe bewältigt haben und mit Glück konnten sie in wenigen Augenblicken von hier verschwinden - ohne dass sie dazu gezwungen war, ein Blutbad anzurichten. Sie beobachtete die dunkle Treppe noch für kurze Zeit, dann wandte sie sich um und stürmte die Stufen hinauf. Kurz darauf stieß sie auf Derin, der eine Fackel hielt.
»Alles klar«, sagte er leise. »Sieht so aus, als suchten sie noch. Er wusste, dass man zwei Leute verfolgt, die man bisher noch nicht gefunden hat. Ob sie jetzt noch immer frei sind, weiß natürlich keiner.«
Trotz ihrer Erleichterung über diese Nachricht blieb Leandra an einem Wörtchen hängen, das Derin geäußert hatte. »Wusste?«, fragte sie scharf. »Was meinst du damit? Wo ist dieser Kerl jetzt?«
Derin deutete den Gang hinab. »Du bist eben an ihm vorbei gerannt. Da unten liegt er.«
»Soll das heißen ... du hast ihn umgebracht?«
Derin zuckte die Schultern. »Er hätte verraten können, was wir von ihm wissen wollten!«
Leandra stieg der helle Zorn ins Gesicht und sie ballte die Fäuste. »Du hast allen Ernstes einen wehrlosen Mann getötet, der sich in deiner Gewalt befand?«
Wieder zuckte Derin mit den Schultern. Er schien sich keiner Schuld bewusst.
Leandra riss ihm die Fackel aus der Hand. »Dreckskerl!«, fuhr sie ihn an. »Du bist auch nicht besser als die! Geh mir aus den Augen!«
Damit ließ sie den verdutzten Derin stehen und stürmte wütend die Treppe hinauf.
36 ♦ Freundschaften
Es war Nachmittag, als Leandra wieder erwachte. Sie war im Morgengrauen aus den Quellen von Quantar zurückgekehrt, hatte
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