Höhlenwelt-Saga 03 - Der dunkle Pakt
Auflachen traf sie wie ein heißer Blitz. Das sind genau die Worte, die du damals zu Ulfa gesagt hast, erwiderte er.
Erst kurz darauf wurde ihr klar, dass Tirao es nicht als Spott gemeint haben konnte. Als sie diese Worte damals in Bor Akramoria ausgesprochen hatte, in diesem eiskalten Regensturm, in dem sie nackt dem rächenden Geist des Urdrachen Ulfa gegenübergestanden hatte, war sie sicher gewesen, dass sie gleich würde sterben müssen. Doch der Geist des Urdrachen hatte ihren Beweis vollkommener Demut und Aufrichtigkeit akzeptiert und war verschwunden. Es hatte ihnen allen das Leben gerettet.
In dieser Art musste auch Tirao ihre Worte verstanden haben. Sie hatte das Richtige getan. Unhörbar atmete sie auf.
War sie von deiner Sippe?, fragte sie befangen. Habe ich sie damals... kennen gelernt?
Nein, Leandra, antwortete Tirao. Sie stammt aus einer anderen Sippe. Sie lebte viel weiter im Süden.
Du hast sie sehr geliebt, nicht wahr?
Ich tue es noch, erwiderte er.
Für eine Weile senkte sich Schweigen über ihren stillen Flug. Der Wind rauschte an ihnen vorbei; sie flogen tief und es war nicht allzu kalt - sah man einmal von der Kälte ab, die von ihren Seelen Besitz ergriffen hatte. Jedes einzelne Opfer, das dieser Kampf bisher gefordert hatte, tat Leandra in der Seele weh, und sie hatte sich schon einmal gefragt, wie viel sie noch aushalten konnte, ehe sie aufgab. Aber sie wusste auch, dass jedes Opfer vollkommen sinnlos gewesen wäre, wenn sie es tatsächlich täte.
Sie schnaufte. Das waren die Worte, mit denen Meister Fujima ihr damals über den Tod ihres Gefährten Vendar hatte hinweghelfen wollen - und sie hätte ihn dafür am liebsten mit Fäusten bearbeitet. Dennoch, diese Wahrheit war so alt, so bitter und so wahr wie der Krieg selbst.
Ich würde dich am liebsten in die Arme nehmen und trösten, sagte sie zu Tirao und kam sich wegen dieser Äußerung ein bisschen dumm vor. Aber sie spürte eine Welle dankbarer Wärme, die von Tirao kam, und sie war froh, dass ihre Worte vielleicht tatsächlich Trost für ihn bedeuteten.
Dann dämmerte ihr plötzlich ein neuer Schrecken. Wenn Faiona tot war, mochte das bedeuten, dass auch Victor und Roya etwas zugestoßen war. Sie hatte Tirao nicht gefragt, wie Faiona umgekommen war. Victor und Roya waren von Chasts Leuten verfolgt worden. Die Wahrscheinlichkeit, dass Faiona in einem Kampf umgekommen war, war groß - und mit ihr Victor und Roya. Die eisige Klaue packte wieder zu.
Leandra schluckte. Sie hatte Skrupel, Tirao nach der Art des Todes von Faiona zu fragen. Vielleicht wusste er das auch gar nicht. Befangen flüsterte sie dem Hochmeister ihre Befürchtung zu.
»Wir müssen so schnell wie möglich nach Hammagor«, flüsterte er und drehte sich besorgt nach Tirao um. »Er wird langsam müde. Ich hoffe nur, dass wir nicht kämpfen müssen, wenn wir ankommen. Dann stünden unser aller Chancen sehr schlecht.«
So flogen sie weiter, lange Zeit schweigend. Leandra, deren schlechte Vorahnungen langsam vernichtende Ausmaße annahmen, starrte mit tauben Blicken in die Tiefe hinab. Sie beobachtete die gewaltige Wand des Landbruches, die sich stetig näherte, dachte dabei aber an ganz andere Dinge. Wenn sie Pech hatten, war es längst zu spät.
Hältst du es noch durch, Tirao?, fragte sie besorgt.
Ja, sagte der Drache tapfer. Ich hoffe nur, dass ich wirklich schlafen kann, wenn wir erst dort sind.
Auch er schien durchaus verstanden zu haben, welche drängenden Fragen noch offen waren. Aber Spekulationen halfen ihnen nicht weiter. Sie konnten nur hoffen.
Leandra betrachtete die riesige Felswand des Landbruchs, die fünf, sechs Meilen vor ihnen aufragte. Soweit sie wusste, war sie über vierhundert Meilen lang; sie zog sich vom äußersten nordwestlichen Eck des Salmlandes bis weit nach Osten, entlang des Ramakorums, und endete erst tief im Lande Kambrum, nordöstlich von Turliss. Hier, im Salmland, wo sie sich gerade befinden mussten, war sie eine gute Meile hoch - und dahinter lag das dunkle, sagenumwobene Land von Noor. Im Morgengrauen wirkte die felsige Landschaft finster und abweisend. Leandra spürte gleich, dass es ein Land war, das bestens zu dem Scheusal Sardin passte, dem Begründer der Bruderschaft, der anscheinend hier geboren und aufgewachsen war.
Leandra lehnte sich neben dem Primas an die Hornzacke, leistete es sich sogar, sich wenig an ihn zu schmiegen, zog die Knie an und starrte schwermütig in die Luft hinaus. Er legte den Arm um ihre
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