Höhlenwelt-Saga 03 - Der dunkle Pakt
eine Ferne zu führen, die sich niemand vorzustellen vermochte.
Diese unendliche Weite, die etwas Bedrückendes und Verlorenes an sich hatte, machte Leandras Magen zu schaffen. Sie hatte schon einmal eine solche Weite erlebt - damals, auf der Flucht, als sie auf der Ebene des Trivocums in den großen Wagen des Totenzuges eingedrungen war, in dem ein so seltsam violettes Licht pulsiert hatte. Ein Licht, das sie inzwischen gut kannte. Auch dieser Strudel wies im Trivocum jene violette Färbung auf; sie war machtvoller und deutlicher ausgeprägt, als Leandra es je zuvor erblickt hatte.
Aber dennoch - sie schien auf das im Raum schwebende Gebilde beschränkt zu sein. Sie waberte nicht nach außen, sondern hielt sich an ihrem Platz. Das war beruhigend. Leandra hatte schon die grässlichsten Dinge in Zusammenhang mit dieser violetten Färbung gesehen. Diesmal jedoch schien kein neues Unheil unmittelbar aus dem Strudel hervorbrechen zu wollen.
»Wo steckt er?«, flüsterte sie. »Da drin?«
Victor nickte. »Dort haben wir sein Gesicht gesehen.«
Sie warteten eine Weile, starrten erwartungsvoll in das monströse Gebilde, aber der Gründer der Bruderschaft von Yoor zeigte sich nicht.
»Vielleicht hat er uns nicht bemerkt?«, meinte Leandra.
Victor zog die Stirn kraus. »Kann ich mir nicht denken. Ich meine, er beklagt sich doch über... Langeweile. Und dies ist erst das zweite Mal in zweitausend Jahren, dass er Besuch bekommt.«
Leandra zuckte die Schultern und beobachtete weiterhin das im Nichts kreisende Gebilde, das Victor so treffend als >Mahlstrom< bezeichnet hatte.
»Meinst du, ich sollte mal...«
»Was?«, fragte Leandra.
»Es klingt vielleicht komisch, aber... nun, ihn rufen?«
Sie sah ihn an, als hielte sie ihn für nicht mehr ganz gescheit, und sagte dann aber: »Ja, warum nicht?«
Victor richtete sich auf. »Sardin?«, rief er in die Dunkelheit. »Wir sind hier! Leandra ist hier!«
Nichts geschah. Sie warteten eine Weile, dann rief Victor noch einmal.
»Ob ihm etwas zugestoßen ist, dem Ärmsten?«, meinte Leandra.
Diesmal war es an Victor, Leandra so anzusehen, als wäre sie nicht mehr bei Trost.
Sie hob die Schultern. »Vielleicht ist er auf der Treppe ausgerutscht? Oder er hat sich in den Finger geschnitten?« Sie wirkte nicht gerade froh mit ihren albernen Worten und seufzte. »Ich weiß, ich sollte ernster sein.«
Victor brummte etwas und sah wieder in den Mahlstrom.
»Weißt du was?«, fragte sie leise. »Ich bin eigentlich ziemlich froh, dass er nicht da ist. Auch, wenn wir den Pakt jetzt nicht haben.«
»Wir brauchen ihn aber!«
»Ja - ich weiß«, erwiderte sie und ihre Stimme klang nicht glücklich.
»Es macht keinen Sinn!«, murmelte Victor. »Erst will er, dass wir dich von weit her holen, und dann ist er plötzlich verschwunden! Was soll das?« Er spürte, dass sich seine Reizbarkeit steigerte. Er wollte, wie Leandra auch, am liebsten so schnell wie möglich von hier verschwinden, aber mit dem Pakt! Unschlüssig blickte er wieder hinab in die Dunkelheit, wo sich langsam die Konturen des Labyrinths aus der Dunkelheit schälten. Er deutete hinab.
»Siehst du das dort unten?«, fragte er. »Dort habe ich das Buch und dieses Blatt mit der Insel gefunden. In einem quadratischen Bau, genau dort unten, am tiefsten Punkt in der Mitte.«
Leandra starrte angestrengt hinab und nickte dann. »Ja, jetzt sehe ich etwas. Es ist kaum zu erkennen. Ist es dieses Labyrinth, von dem du erzählt hast?«
»Ja. Lauter winzige schmale Brückchen, Treppen und Stege. So komisch verschachtelt, dass du manchmal nicht weißt, wo oben und unten ist, ob du liegst oder stehst. Und dazwischen geht's in die Tiefe. Schwarz und finster. Es würde mich nicht wundern, wenn man niemals unten ankäme, falls man hineinfällt.«
Sie starrte ihn verwirrt an. »Und wie kommt man dort hinunter? In das Labyrinth, meine ich?«
Victor deutete nach links zur inneren Wand des Turms, die sehr bald mit der völligen Dunkelheit verschmolz. »Dort ist ein Sims, der an der Innenwand entlang führt. Nach ungefähr zweihundertfünfzig Schritt führt eine Treppe hinab.«
Leandra blickte wieder hinauf zu der nebligen Spirale, in der sich immer noch kein Sardin zeigte. Sie seufzte und sah dann wieder in die Dunkelheit hinab. »Warum bist du so sicher«, wollte sie wissen, »dass dort unten der Pakt nicht ist? Vielleicht ist er zwischen all den Papieren versteckt?«
Er hob die Schultern. »Also... irgendwie hätte das einfach nicht
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