Höhlenwelt-Saga - 08 - Die Magie der Höhlenwelt
wo Rasnor noch immer wartend stand. »Er
war wütend? Ist er es denn nicht mehr?«
Cathryn folgte ihrem Blick, sie war ebenso verunsichert wie Alina. Sie blinzelte, klammerte sich fester an ihre Freundin Hellami.
»Etwas ist anders«, meinte sie leise.
Unwillkürlich erhob sich Alina, Rasnor nach wie vor im Blick. Sie
hatte ihn lange nicht mehr gesehen, seit damals in Torgard nicht
mehr, als sie Chasts Gefangene gewesen war. Rasnor war immer
wieder aufgetaucht, als Vertrauter des Hohen Meisters der Bruderschaft von Yoor. Nun war er selbst der Hohe Meister.
Rasnor schien zu spüren, dass sie ihre Gedanken auf ihn gelenkt
hatte, denn er ließ die verschränkten Arme sinken.
»Wie lange wollt ihr mich noch warten lassen!«, rief er mit
plötzlicher Heftigkeit.
Alina wurde blass.
Sprunghaft war ihr Puls in die Höhe geschnellt; es war ein extremer Anstieg, eine plötzliche schallende Ohrfeige hätte sie nicht
ärger hoch peitschen können.
Verwirrt sah sie zu Cathryn, deren Satz, dass etwas anders sei,
einen plötzlichen Sinn gewonnen zu haben schien. Doch noch
wusste Alina nicht zu sagen, was der Grund dafür war.
»Das… das ist nicht Rasnor«, flüsterte Cathryn mit zitternder
Stimme.
In diesem Augenblick verstand es auch Alina.
Die Gestik, die Körperhaltung, die Stimme… sie kannte diese
Person dort drüben vielleicht besser als irgendjemand sonst auf
dieser Welt. Sie war von diesem Mann gefangen gehalten worden,
hatte ihm als Bettgespielin dienen müssen, und er hatte sie mit
Gewalt genommen. Seine mörderischen Zornesausbrüche hatte
sie erleiden und seine unglaublich kalte, berechnende Art aushalten müssen. Er sah anders aus, er steckte in der Hülle Rasnors,
aber Alina erkannte ihn selbst auf diese Entfernung.
Voller plötzlicher Wut trat sie einige Schritte nach vorn. »Was
willst du?«, schrie sie ihrem Peiniger entgegen.
»Was ich will?«, schallte die Frage in höhnischem Tonfall herüber. »Ein Geschäft will ich euch vorschlagen! Eines, bei dem euch
Pack mehr Gnade zuteil wird, als ihr es verdient!«
»Mehr Gnade?«, polterte Ullriks Stimme über die Dorfwiese. Er
trat neben Alina. »Überleg dir lieber, was du sagst, du Großmaul,
damit du dir nicht meine Gnade verscherzt!«
Alinas Herzschlag raste. Nein, das war nicht die Stimme und
nicht die Art Rasnors, dieses kleinen Kriechers. Sie hätte Rasnor
erkannt, obwohl sie ihm nicht allzu oft begegnet war, und von
ihm, dem Mann, der dort stand, vermochte sie ihn allemal zu unterscheiden – mochte er auch aussehen wie Rasnor.
»Oho!«, kam es zurück. »Wen haben wir denn da? Einen neuen
Mann in den Reihen der Shaba? Womöglich ein wackerer Adept
der Magie, der schon mal einen wilden Murgo verjagt hat?
Ich erzittere vor Angst!«
Für den Moment schwieg Ullrik. Alina sah aus den Augenwinkeln, dass er sich versteift hatte, den Blick geschärft, das Gesicht
eine starre, konzentrierte Maske.
Zweifellos bereitete er sich für den Fall vor, dass es zu einer
Auseinandersetzung kam.
»Ullrik«, zischte sie ihm zu, »das ist nicht Rasnor!«
Ohne das Gesicht zu wenden, fiel sein fragender Blick auf sie,
und seine Miene spiegelte Unruhe. »Es ist Chast, Ullrik! Der frühere Hohe Meister der Bruderschaft von Yoor! Ich erkenne ihn,
glaub mir.«
»Chast?« Ullrik erschauerte. »Aber… Chast ist seit Langem tot!
Und er sah völlig anders aus!«
»Ich weiß nicht, wie das möglich ist«, antwortete Alina, der vor
aufkommender Panik die Tränen in die Augen stiegen. »Er muss
überlebt und von Rasnor Besitz ergriffen haben. Ich bin völlig
sicher, Ullrik. Ich war ein dreiviertel Jahr seine persönliche Gefangene. Ich kenne ihn!«
Ullrik ließ den Blick über die Wiese hinweg zu dem kleinen Kerl
wandern, von dem Alina etwas geradezu Ungeheuerliches marschierte die paar Schritte zu seinem Flugboot. »Aber seinen Namen kennst du gewiss!« Chast langte in den Laderaum seines
Flugbootes und riss die Decke über dem am Boden liegenden Etwas fort. Ein menschlicher Fuß kam zutage. Er packte den Fuß
und zog mit spielerischer Leichtigkeit einen nackten, halb verbrannten Körper aus dem Laderaum hervor, so als wöge er nicht
mehr als eine Katze. In einer grausigen Geste völliger Verächtlichkeit und gleichzeitigem Triumph wandte er sich mit Schwung
um und schleuderte die Leiche über die gesamte Strecke zu ihnen
herüber – über vierzig Schritt hinweg, als wäre sie ein Nichts. Mit
einem Aufstöhnen sprangen Marko, Alina und Marina zur Seite,
als der
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