Höhlenwelt-Saga - 08 - Die Magie der Höhlenwelt
bisherigen Leben oft genug erlebt. Es ist wegen dieser einen Sache, die
darin vorkommt – wegen deiner Magie. Sie passt nicht in mein
Weltbild. Sie nimmt darin sogar einen geächteten Platz ein – die
Reformierte Bibel von euch Menschen wie auch die Neue J’heeRolle der Ajhan nennen die Magie ein gefährliches Werkzeug falscher Propheten und des Bösen schlechthin.« Er lächelte unsicher. »Aber du – eine Vertreterin des Bösen? Das fällt mir schwer
zu glauben.«
Leandra warf ihm einen dankbaren Blick zu, sich darüber durchaus bewusst, welchen Mut und welches Vertrauen Ain:Ain’Qua
aufbrachte, angesichts seines Glaubens so etwas zu ihr zu sagen.
Er konzentrierte sich wieder auf seine Kontrollen. Leandra sah
an den leisen Bewegungen seiner Lippen, dass er seinem Schöpfer ein spontanes Gebet zusandte. Sie tat das Gleiche und erbat
sich von Den Kräften, dass sie ihr helfen mochten, diese verwirrenden Dinge zu enträtseln.
*
Eine Stunde später waren sie wieder auf Potato, der Raumkartoffel – einem mehrere Meilen durchmessenden Felsbrocken mitten im Asteroidenring, in dessen Innerem sich eines der vielen
Geheimverstecke der Brats befand. »Na, wie fliegt sie?«, fragte
Roscoe, als er ihnen im Hauptkorridor der Außendock-Anlage entgegenkam. »Phantastisch!«, rief Leandra begeistert, rannte auf
ihn zu und sprang ihm in die Arme. Roscoe stieß einen überraschten Laut aus, schaffte es aber, sie aufzufangen. Übermütig küsste
sie ihn und drückte sich an ihn.
»Wann wirst du endlich etwas erwachsener?«, flüsterte er ihr
lächelnd zu, küsste sie zurück und setzte sie ab.
Aus dem Hintergrund kamen Bruder Giacomo und der fette Biko
Mbawe herbei. »Na, habt ihr ‘nen Sprung gemacht, Jungchen?«,
rief ihnen Mbawe entgegen. In wallendem Trab bewegte er seine
gewaltige Masse vorwärts, um mit dem ebenfalls etwas rundlichen, aber wesentlich leichteren und kleineren Giacomo Schritt
halten zu können. Ain:Ain’Qua, der bei Roscoe und Leandra stehen geblieben war, sah den beiden Männern leise kopfschüttelnd
entgegen. Er hatte wahrhaftig eine kunterbunte Mischung aus
unterschiedlichen Graden des Respekts ihm gegenüber versammelt. Mbawe, Käpt’n der Little Big Fish, und derjenige, der ihn mit
einem historisch zu nennenden TT-Schiff von Schwanensee gerettet und hierher gebracht hatte, zeigte überhaupt keinen Respekt.
Er redete Ain:Ain’Qua noch immer mit »Jungchen« an, hieb ihm,
wenn er Lust hatte, seine speckige Pranke kameradschaftlich auf
die Schulter, erging sich in Scherzen, die von zotig bis anmaßend
reichten. Er schien nicht im Mindesten beeindruckt zu sein, dass
er es mit einem Mann zu tun hatte, der vor Kurzem noch einen
der höchsten Ränge in diesem ganzen gewaltigen Sternenreich
des Pusmoh bekleidet hatte.
Bruder Giacomo, Ain:Ain’Quas treuer Begleiter, Freund und Helfer – der eigentlich seit Kurzem überhaupt keine Pflichten ihm
gegenüber mehr besaß, denn Ain:Ain’Qua hatte als Papst abgedankt, war das genaue Gegenteil von Mbawe. Er benahm sich
stets höflich und respektvoll, erlaubte sich niemals zweideutige
Bemerkungen und ignorierte hartnäckig Ain:Ain’Quas Forderung,
das umgängliche »Du« als Anrede zu wählen. Niemand sonst
sprach ihn mehr mit »Sie« oder gar in der Persona Majestatis an,
wie Giacomo es nach wie vor tat – mit »Ihr« und »Euch«. Inzwischen hätte Ain:Ain’Qua sogar Grund gehabt, Giacomo mit derlei
Titeln anzusprechen, denn er war der Master des »Ordens der
Bewahrer« – ein geheimer Rang innerhalb einer noch geheimeren
Organisation, über dessen Bedeutung sich Ain:Ain’Qua nicht so
recht im Klaren war.
Der hoch gewachsene Darius Roscoe, Leandras Freund, Beschützer und Liebhaber, war noch der Unkomplizierteste von allen. Er behandelte Ain:Ain’Qua wie seinesgleichen, wie einen gestandenen Mann, wobei er stets ein kleines Maß an Respekt signalisierte. Ain:Ain’Qua, der Jahre auf Schwanensee im Dom von
Lyramar gelebt und gewirkt hatte und der es gewohnt war, von
wirklich jedem mit aller Höflichkeit und größter Ehrerbietung behandelt zu werden, war nicht undankbar, dass Roscoe ihm einen
letzten Rest von Respekt zollte.
Andernfalls hätte er sich in Selbstzweifeln verlieren können –
besonders hier auf Potato, wo ein paar hundert Gesetzlose lebten,
die allenfalls bereit schienen, ihn als Beute zu betrachten.
Leandra, die Vierte im Bunde seiner Freunde, war etwas Besonderes. Das Wort Respekt zu gebrauchen, um ihr Verhältnis
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