Höhlenwelt-Saga - 08 - Die Magie der Höhlenwelt
auf, dabei hartnäckig ignorierend, welchen grotesken Anblick er bieten würde in
seiner blutbesudelten Robe, mit einem Armbrustbolzen, der ihm
seitlich aus der Stirn ragte, einem weiteren im Oberarm und einem dritten im rechten Oberschenkel. Er hasste es, in diesem
grauenvoll minderwertigen und lädierten Körper zu stecken, und
hoffte, dass die Frau, die da kam, irgendeine hässliche, alte Vettel
wäre, vor der er kein Schamgefühl empfinden musste.
Als er sich mühsam aufgerichtet hatte, sah er zwei Personen,
die, von zwei bewaffneten Drakken eskortiert, den riesigen Raum
in Richtung seines Domizils durchquerten. Sie waren noch gut
fünfzig Schritte entfernt.
Für Momente setzte sein Herzschlag aus.
Schon an der Art, wie die Frau sich bewegte, sah er, dass sie
etwas Außergewöhnliches war. Ihr Gang war grazil und schwungvoll, ihre Gestalt hoch gewachsen und sehr weiblich, aber doch
wieder auf eine delikate Art schmal und zart. Ihre Ausstrahlung
glaube er bis hierher spüren zu können, sanft und anschmiegsam
in Momenten der Ruhe, aber doch energievoll und stark, wenn sie
gefordert war. Für verwirrende Momente dachte er, dass es Alina
oder Leandra sein müsse, eine dieser beiden – keine andere Frau,
die er je getroffen hatte, wäre in Stil und Aussehen an sie herangekommen. Doch sie war es nicht. Ihr Begleiter war von ähnlicher
Art; ein groß gewachsener, gut aussehender und kraftvoller Mann
mit federndem Gang.
Chast schnappte nach Luft. Die Vorstellung, dass diese beiden
die Unterhändler der Sonnendrachen waren, passte nicht in seine
Vorstellungswelt. Dann sah er, dass die beiden keinesfalls die
Sorte Kleidung trugen, die zu Abgesandten eines Drachenvolks
passten. Seine Empfindungen tobten. Noch immer war er voller
Wut über die Misserfolge dieses verfluchten Tages, seit einer halben Minute aber plagte ihn zusätzlich eine heiße Scham, dieser
Frau und ihrem Begleiter wie ein bizarrer Jahrmarktsclown unter
die Augen zu treten.
Als die beiden ihn erreichten, stand er aufrecht und versuchte
eine halbwegs mannhafte Figur abzugeben.
»Bei allen Dämonen«, stieß die Frau mit einem mitfühlenden
Lächeln hervor. »Was ist denn Euch zugestoßen, Hoher Meister!«
Wäre nicht dieser vertraute Ton in ihrer Stimme mitgeschwungen, und wäre da nicht der Anflug von Sorge in ihrem Gesicht
gewesen, wäre Chast unter den spöttischen Blicken ihres Begleiters explodiert. Zumindest ihn hätte er mit seinen magischen
Kräften in Fetzen gerissen, diesen gelackten Schönling mit seinem herablassenden Lächeln und dem weltmännischen Gehabe.
Schon wieder hatte er ein Objekt des Hasses für sich entdeckt;
dieser Kerl ging ihm durch seine bloße Anwesenheit auf die Nerven, wiewohl Chast ihn auch um sein blendendes Aussehen beneidete. Aber dieses Mädchen – sie war einfach unglaublich.
Noch nie hatte er ein wirklich tieferes Interesse für das weibliche Geschlecht aufgebracht. Obwohl er Alina für ihre Schönheit
bewundert und Leandra um ihre Ausstrahlung beneidet hatte,
waren sie ihm letztlich in ihrer Weiblichkeit doch egal gewesen.
Doch für dieses Mädchen, das nun mit einem warmen Lächeln vor
ihm stand, empfand er eine plötzliche leidenschaftliche Verehrung
– eine Verehrung, die seine gebeutelte Gefühlswelt auf einen
Schlag noch ärger durcheinander brachte. Sie war blond, trug die
langen, seitlich gescheitelten und glatten Haare in einer ungemein
schwungvollen Frisur: auf der rechten Seite waren sie hinters Ohr
gekämmt und fielen nach hinten über die Schulter, während sie
links das klassisch schöne Gesicht umrahmten und in einer weiten
Welle bis zur Brust herabreichten. Ihr Gesicht war oval und ihre
Züge weich, doch die wasserblauen Augen verrieten einen klugen
Verstand und ständige Wachsamkeit. Sie trug einen hellgrauen,
eng anliegenden Anzug, der an den Armen, den Schultern und in
der Taille mit figurbetonenden dunkelblauen Streifen besetzt war.
Ihre Füße steckten in schwarzen Stiefeln, die einesteils klobig
wirkten, andererseits die grazile Schlankheit ihres traumhaften
Körpers nur umso mehr hervorhoben. Chast war tief beeindruckt.
Und er fühlte sich grauenvoll, dieser jungen Schönheit so gegenübertreten zu müssen.
Er setzte ein Lächeln auf. »Oh, nichts. Nichts ist passiert. Ein
Versehen. In Kürze bin ich wieder wie neu.« Der Begleiter der
jungen Frau legte den Kopf ein wenig schief. »Wirklich? Ihr seht
eher ziemlich mitgenommen aus.«
Chast schoss einen warnenden
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