Höhlenwelt-Saga - 08 - Die Magie der Höhlenwelt
Plötzlich wandte er sich ab,
und Alina sah, dass er seine Tränen verbergen wollte. Es war ungewöhnlich, einen so riesigen, Krieger erfahrenen wie ihn weinen
zu sehen. Aber beim Gedanken an Hellamis Tod traten ihr selbst
wieder Tränen in die Augen. Auch Victor und Marko blickten betroffen zu Boden.
»Gibt es Neuigkeiten von Lukash dem Heiler?«, fragte Marko.
»Hat er sich Cathryn schon angesehen?«
Alina nickte. »Es scheint sich zu bestätigen, was Hochmeister
Jockum glaubt. Cathryn ist nicht tot. Etwas Lebendiges schlummert noch in ihr. Mehr wissen wir aber noch nicht, und wir wissen
auch nicht, ob es eine Möglichkeit der Heilung gibt. Leider fehlt
uns Cathryns Fähigkeit, ihre Schwestern spüren zu können. Von
uns sieben sind jetzt nur noch drei übrig: Azrani, Marina und ich.
Leandra und Roya sind verschollen, Hellami ist umgekommen,
und Cathryn... wir können nur hoffen, dass der Heiler einen Weg
findet, sie zu retten. Für unseren Sieg haben wir einen hohen
Preis zahlen müssen.«
»Und noch ist er nicht komplett«, erinnerte Victor mit mahnendem Unterton. »Dort draußen, irgendwo über der Höhlenwelt,
schwebt noch immer das Mutterschiff der Drakken. Und jetzt gehört es dem verfluchten Chast! Auch wenn wir über Caor Maneit,
Bor Akramoria und ein neues Drachenheer verfügen – die Gefahr
ist noch nicht gebannt.«
Jacko ballte beide Fäuste. »Chast, verfluchte dieser Hund! Ich
habe ihn schon einmal umgebracht, und ich werde es wieder tun!
Er hat Hellami und Cathryn auf dem Gewissen!«
Victor nickte respektvoll. »Ich verstehe deinen Zorn, Jacko.
Aber wie willst du das schaffen? Das Drakkenschiff ist eine Festung, und es besitzt den besten Verteidigungswall, den man sich
nur denken kann: ein paar tausend Meilen luftleerer Raum.« Marko setzte ein Lächeln auf. »Dann sollte er sich besser schnell noch
ein paar tausend Extra-Meilen zulegen. Wir haben euch aus Savalgor etwas mitgebracht. Etwas, das vielleicht eine Lösung bietet.«
Victor und Alina zogen überrascht die Brauen in die Höhe.
»Wirklich? Etwas, um Chast zu besiegen? Und was ist das?« Marko winkte ihnen. »Kommt mit hinauf, da könnt ihr es euch ansehen. Es ist ein Mann. Ein Mann mit einem Ei.«
*
In den fünf Tagen der neuen Regentschaft der Shaba war in Bor
Akramoria schon einiges geschehen. Man hatte die unteren Hallen
der südöstlichen Gebäude von Trümmern befreit und ein paar der
kleineren Räume als Wohn- und Schlafräume hergerichtet. Die
Drachen hatten erstes Holz aus dem Gebiet der Oberen Ishmar
herbeigeschafft, und es gab in der Halle des Himmels – wie man
den großen Saal nun nannte, dessen breite Fensterfront über den
Wasserfall hinab auf den weiten Mogellsee blickte – bereits ein
paar einfache Einrichtungsgegenstände. In der Hauptsache waren
das ein provisorischer Thron für die Shaba, dazu einige Stühle
und zwei große Tische.
Auf einem davon stand nun das Ei.
Es handelte sich um ein Objekt aus golden schimmerndem Metall, etwa so groß wie der Kopf eines Kindes; es stand auf einem
kleinen Dreibein aus dünnen Metallstreben. Seine Oberfläche war
von filigranen Gravuren bedeckt, ein feines Gespinst aus winzigen
rötlichen Funken umlief das Ei unablässig entlang der Struktur
dieser Gravuren. Jeder der Anwesenden kannte inzwischen seine
Natur. Obwohl es nichts mit Magie zu tun hatte, konnte man damit einen Menschen an einen anderen Ort bringen – zu seinem
Gegenstück, das auf der MAF-1 stand. Chast hatte es schon benutzt, auch Ötzli und natürlich einige Drakken.
Der dazugehörige Mann, ein übergelaufener Bruderschaftler
namens Oliwer, der sich in Savalgor Jackos Leuten angeschlossen
hatte, hatte erwartungsvoll auf einem der Stühle Platz genommen. Er war ein etwas klein geratener Mann mittleren Alters mit
struppigem, kurz geschorenem pechschwarzem Haar und einem
verdrossenen, abgemagerten Gesicht. Etwas Linkisches umspielte
seine Mundpartie, sein breites Kinn war von beherrschender Art,
sein schmächtiger Körper und seine Haltung zeugten jedoch nicht
von großer Selbstsicherheit.
Die wichtigsten Vertrauten Alinas waren ebenfalls an den beiden
Tischen versammelt, und sie harrten der Dinge nicht minder erwartungsvoll. Doch Bruder Oliwer, dessen Auftauchen anfangs
Zuversicht verbreitet hatte, hatte bisher keinen besonders Vertrauen erweckenden Eindruck hinterlassen. Victor, der sich immer
mehr in die Rolle des Obersten Strategen der Shaba-Getreuen
hineinwachsen sah, marschierte vor
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