Höhlenwelt-Saga - 08 - Die Magie der Höhlenwelt
Leisten konnte sie es sich, ihn zu engagieren – Ötzli hatte ihr genügend Geld mitgegeben. Allein an Referenzen fehlte es
ihr. Hier in Okanase war sie eine völlig Unbekannte, und sie konnte auch nicht auf einen bekannten Auftraggeber verweisen. Aber
sie wollte diesen Sash unbedingt haben. Nicht nur wegen seiner
enormen Ausstrahlung, sondern auch, weil er ein exzellenter
Mann sein sollte; ein Informationsbeschaffer, Ratgeber, Leibwächter und Spezialist in vielen technischen Disziplinen. Sie
musste es mit ihrem Körper versuchen.
Wenn es stimmte, was Ötzli ihr vorschwärmte, und wenn sie die
begehrlichen Blicke von Unteroffizial Simonai und die bewundernden von Nuntio Julian und anderen Männern richtig deutete,
musste sie mit ihrem Körper Chancen haben. Sie besaß keine
Übung darin, Männer zu verführen, sie war nur ein einfaches
Mädchen von einer Barbarenwelt, entführt von der Bruderschaft
von Yoor, um als Gespielin für die Gelüste der Mitglieder dieser
frauenlosen Männergilde zu dienen. Doch aus irgendeinem Grund
hatte man sie nach ihrer Entführung vergessen. Ötzli war ihr erster Mann gewesen; er hatte es nicht einmal bemerkt, als er sie
ihrer Unschuld beraubt hatte. Seither hasste sie ihn. Es war ein
unterschwelliger Hass, den sie meist nur dann verspürte, wenn er
ihren Körper in Anspruch nahm, denn er war freundlich, oft sogar
gütig zu ihr.
Aber dennoch empfand sie Hass, oder besser: Abscheu, denn er
hatte ihre Schmerzen nicht gespürt oder vielleicht sogar ignoriert,
als er ihr die Jungfernschaft nahm. Sie hatte immer von einem
zärtlichen, jungen Liebhaber geträumt, von einem schönen, muskulösen Mann mit einem aufregenden Körper – nun aber war ihre
einzige körperliche Erfahrung ein alter Mann, dem es am elementarsten Gefühl für seine Gespielin mangelte. Aber da war nun dieser Sash.
Ihre Brust bebte, als sie ihn über die Tische der dunklen Bar
hinweg beobachtete, und sie wusste nicht recht, warum war es
die Aufregung wegen der geplanten Tat oder die Lust auf ihn, die
in ihrem Körper rumorte? Ja, sie würde sich zurückholen, was
Ötzli ihr vorenthalten hatte, sie würde ihn betrügen. Mit dem
Mann, der sein Vertrauter werden würde, falls es ihr gelang, ihr
Vorhaben in die Tat umzusetzen. Ein vager Gedanke kreiste in
ihrem Kopf, noch mehr für sich herauszuholen, denn inzwischen
wusste sie viel über Ötzlis Pläne und Verstrickungen und war ihm
in manchen Dingen sogar voraus. Aber sie würde erst herausfinden müssen, ob sie mit ihren Vermutungen richtig lag. Der Anfang zu allem war Sash.
Kurz setzte ihr Herzschlag aus, als sich jemand auf Sashs Tisch
zubewegte. Womöglich war es jemand, der ihm einen Auftrag
anbieten wollte? Man hatte ihr gesagt, dass die guten Leute
schnell wieder weg waren, engagiert für einen neuen Job, wenn
sie hier in diese Bar kamen. Auf Schwanensee gab es zahllose
hohe Würdenträger der Kirche, Diplomaten, Politiker oder Wirtschaftsbosse, von denen jeder ständig die Dienste eines Mannes
wie Sash gebrauchen konnte. Da mochte es sein, dass andere nur
gewartet hatten, dass er hier wieder auftauchte.
Und so beschloss sie, ohne weiteres Zögern aufs Ganze zu gehen. Sie holte kurz und tief Luft, ließ sich von ihrem Barhocker
gleiten und brachte rasch die wenigen Schritte zu Sashs Tisch
hinter sich. Mit einer anmutigen Bewegung schob sie sich auf den
freien Stuhl ihm gegenüber, wo Sash gerade dem anderen, der
höflich um Erlaubnis für eine Unterredung ersucht hatte, einen
Platz angeboten hatte.
»Hier ist doch frei, nicht wahr?«, hauchte sie mit ihrem süßesten Lächeln.
Sashs Lächeln war so unverbindlich wie herausfordernd. »Aber
ja«, gab er zurück, und die Klangfarbe seiner Stimme, sanft, tief
und sehr männlich, ließ ihr einen Schauer über den Rücken gleiten.
Der andere Mann, ein hoch gewachsener Ajhan in einem dunkelblauen Anzug, musterte Lucia irritiert.
»Verzeihen Sie…«
Lucia würdigte ihn keines Blickes. »Wo waren wir stehen geblieben, Mr. Sash?«, fragte sie. »Ihr Honorar ist akzeptiert, aber über
Ihre Prämie müssten wir noch einmal reden…«
Der Ajhan räusperte sich, brummte etwas, was sich wie ein Laut
der Enttäuschung anhörte, nickte dann kurz und verschwand.
Sash stieß ein amüsiertes Lächeln aus. »Meine Prämie?«, fragte
er. »Sie meinen für den Fall, dass ich Ihren Auftrag annehme?
Miss…?«
»Lucia. Angenehm, Sie kennen zu lernen, Mr. Sash.«
Unbeholfen streckte sie ihm die Hand über
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