Höhlenwelt-Saga 1 - Die Bruderschaft von Yoor
beschleunigen. Einmal sogar hatte sie unter Munuels Anleitung das morsche Holz zweier Dachbalken einer Scheune stabilisiert, sodass die Balken ausgewechselt werden konnten, ohne dass man das Dach hatte abdecken müssen. Es war großartig, so etwas herbeizuführen, und Leandra war sich mit ihrer Magie ungeheuer nützlich vorgekommen. Sie hatte sich auch gedanklich damit beschäftigt, einmal ein wildes Tier verjagen zu müssen, vielleicht einen großen Waldmurgo, der Schafe gerissen hatte, oder gar gegen Diebe oder Räuber zu kämpfen. Letztlich war sie bestrebt gewesen, die Magie zu erforschen und Zutritt zu den großen Bibliotheken des Cambrischen Orden zu erlangen, um dort uralten Geheimnissen auf die Spur zu kommen. Das war es, was sich Leandra unter Magie vorgestellt hatte: Der Vergangenheit ihre Geheimnisse zu entreißen. Was sich jedoch hier anbahnte, war etwas ganz anderes, mit dem sie niemals gerechnet hätte und das ihr Angst machte. Das anfängliche Gefühl, ein großes Abenteuer zu erleben, war einer unbestimmbaren Furcht gewichen. Beklommen sah sie sich um.
Es waren keine der dunklen Gestalten in der Umgebung zu erblicken. Jockum näherte sich leise und flüsterte:
»Wo ist dieser große Wagen?«
»Ich weiß nicht. Ich kann ihn noch nicht sehen.«
»Würdest du vorausgehen und uns führen?«, fragte er leise. »Bamtori wird dich beschützen!«
Leandra hatte gehofft, mit dem dunkelhäutigen Magier abseits zu bleiben. Ihr wurde mulmig zumute. Trotzdem nickte sie und zog Bamtori mit sich nach vorn.
Ganz in der Nähe fand sie die Spuren ihres Wagens wieder, die sie am Mittag hinterlassen hatten. Dann erreichten sie den Erdhügel. Sie deutete nach links in die Dunkelheit unter den Bäumen.
»Seht ihr den vierrädrigen Wagen mit dem großen Kutschbock?«
Jockum und Munuel nickten. Ötzli hielt sich etwas abseits und hielt etwas in Händen, das sie nicht erkennen konnte. Jetzt hörte sie auch leise einen ersten Anflug der dunklen Gesänge.
Ihr wurde sehr mulmig zumute. Der Totenzug, der in diesen Augenblicken zu neuem Leben erwachte, begann ein gewaltiges Ausmaß böser Energie auszustrahlen. Leandra fürchtete die vier Magier, so stark sie auch sein mochten, hätten vielleicht nicht genug Kraft, um diese Macht niederzukämpfen.
Aus dem großen Wagen kroch zwischen den Planen mit langsamen Bewegungen eine dunkle Gestalt hervor, gefolgt von einer weiteren. Danach quetschte sich in kaum zu beschreibender Weise die riesige Gestalt eines Pferdes hervor und klatschte auf den Boden.
»Sie kommen alle aus dem Wagen!«, flüsterte Leandra mit dringlicher Stimme. »Ihr müsst jetzt gleich angreifen!
Dann habt ihr nicht so viele Gegner!«
Ötzli nickte. Wie als Antwort auf ihren Rat erschien ein greller, gelblicher Blitz etwa zwei Meter vor ihm, der auf den großen Wagen zuraste. Leandra zuckte heftig zusammen. Einen Augenblick später schlug er schon mit einem Krachen in eines der Räder und fuhr auf dem Weg dorthin in eine der dunklen Gestalten, die mit einem abgründigen Grunzen zu Boden sank.
Im nächsten Moment glühte das violette Licht im Wagen mit Macht auf. Leandra schrie auf und verbarg sich angstvoll hinter Bamtoris hoch aufragender Gestalt.
Ein halbes Dutzend dunkler Gestalten purzelte aus dem Wagen, kurz danach ein weiteres halbes Dutzend. Sie richteten sich auf und gingen zum Angriff über.
Leandra erlebte alles wie in Trance. Plötzlich waren alle Höllenteufel in dem Waldstück entfesselt. Jockum hüllte den großen Wagen in eine beißende Funkenwolke, und Munuel konzentrierte sich darauf, eine unsichtbare Mauer zwischen der Gruppe und dem Wagen zu errichten. Von irgendwoher schoss ein bläulich glitzerndes Oval auf Bamtori zu. Der Magier riss den linken Arm hoch und schlug es mit einem grollenden Aufschrei zur Seite.
Im nächsten Augenblick brannte sein Ärmel lichterloh. Grunzend ließ er sich niederfallen, um die Flammen im feuchten Morast zu ersticken.
Jockum zog die Funkenwolke enger um den Wagen, und jeder Funken, der etwas berührte, egal, ob Schattenwesen oder etwas Unbelebtes, fraß sich mit einem giftigen Zischen in dessen Oberfläche hinein. Immer mehr Gestalten quollen aus dem Wagen hervor. Als sie erkannten, dass ihnen durch Munuels Schutzwall der direkte Weg zu den Angreifern verwehrt war, strebten sie nach rechts und links.
Otzli schoss einen weiteren Feuerblitz auf eine Gruppe der Gestalten ab. Munuels Mauer hatte die Eigenschaft, Dinge von dieser Seite her passieren zu
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