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Höhlenwelt-Saga 1 - Die Bruderschaft von Yoor

Titel: Höhlenwelt-Saga 1 - Die Bruderschaft von Yoor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Evers
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wandte sich Leandra zu, nahm ihre Hand und hielt sie einen Augenblick hoch. Dann drehte er sich Munuel zu. »Nun sag mal - seit wann habt ihr denn so hübsche Magierinnen in der Gilde? Ich staune!« Er wandte sich Leandra wieder zu und machte eine galante Verbeugung vor ihr. Den Handkuss schloss er mit einer überaus gekonnten Geste gleich mit an.
    Er hob die Arme, Leandras Hand dabei immer noch haltend, und rief über den Hof: »Ich überlegte schon den ganzen Nachmittag, welche Gelegenheit es heute wohl für ein kleines Fest geben könnte. Nun, das wohlmeinende Schicksal hat mir soeben eine beschert! Los, ihr Leute! Holt das Küchenpersonal aus den Federn!
    Die Offiziere in den besten Staat! Der Kellermeister soll aus seinem hintersten Winkel ein Fässchen Wein hervorrollen!«
    Lorin von Jacklor geleitete seine beiden Gäste in die Vorhalle des Haupthauses. Dort brannte trotz der Hitze ein Feuer in einem Kamin, der ungefähr so groß war wie ein Badezimmer. Hier in dieser riesigen steinernen Halle war es nicht so warm wie draußen.
    Leandra konnte den Mann erst jetzt richtig in Augenschein nehmen. Er war ein sehr großer, dunkler Typ mit platter Nase und ebensolchem Hinterkopf. Sein Gesicht war breit und von Lachfältchen durchzogen. Seine schwarzen Augen glühten vor Tatendrang und sie zweifelte nicht daran, dass er kleine Kinder zum Frühstück verzehrte. Lorin von Jacklor füllte seinen samtenen Wams energisch aus. Seine Beine waren hingegen kurios dünn, und in seinen Ärmeln gab es offenbar mehr Speck als Muskelschmalz. Mit seinem groben Körperbau wirkte er fast ein wenig grotesk in seinen feinen samtenen Stoffen. Auf seinen polierten Lackschuhen thronten goldene Schnallen wie fette Schmetterlinge.
    »Du bist der Kommandant von Tulanbaar?«, fragte Munuel ungläubig.
    »Aber ja, mein Freund. Seit über einem Jahr schon.« Er hob einen riesigen, fleischigen Finger. »Durch weisen Ratschluss der Hierokratie! Wusstest du das etwa nicht?«
    Der Magier zog die Stirn kraus. »Wie hast du das denn geschafft, du Ganove?«, fragte er.
    »Oho!«, machte der Kommandant und drohte Munuel dieses Mal mit dem anderen Finger. »Nicht so keck, alter Mann! Ich wurde von höchster Stelle eingesetzt, also keine Anspielungen bitte!«
    Munuel winkte missmutig ab. »Sparen wir uns das. Wir wissen beide, dass deine Weste deswegen so tiefrot ist, damit man all die Flecken und das Blut darauf nicht sieht!« Er ließ von Jacklor stehen und marschierte zu einer der Wände, um ein riesiges Gemälde zu betrachten.
    Leandra trat zu ihm. Das Bild schien von einem wirklichen Künstler zu stammen. Es zeigte einen stillen See, der in einer tiefen und engen Schlucht vor sich hin träumte; zu beiden Seiten stiegen gewaltige Felswände senkrecht auf und endeten nicht einmal oben, wo der Rahmen die Szene begrenzte. Die Schlucht setzte sich in die Ferne fort, strebte vom Betrachter hinweg und vermischte sich geheimnisvoll mit der blendenden Helligkeit, die von weit hinten nach vorn drang. Im Mittelgrund, dort wo der See endete, lag ein kleiner, anheimelnder Flecken Land, in hellen, gesunden Grüntönen. Büsche und Bäume umsäumten eine Wiese. Dieser Ort wirkte, als wäre er noch nie von etwas Bösem berührt worden. Leandra konnte sich Waldböcke vorstellen, die dort friedlich grasten, und Kaninchen und Vögel, die in der Ruhe dieses Ortes miteinander spielten. In der Höhe überspannte der kleine, steinerne Bogen einer Brücke die Felswände der Schlucht und wies darauf hin, dass hier auch Menschen anwesend waren.
    Aber die zauberhafte Unberührtheit dieses Ortes war gleichsam auch Ausdruck dafür, dass die Menschen, die hier verkehrten, nichts von ihrem Zank, Hader und ihren Streitigkeiten mitbrachten. Unten in der Ecke, neben der Signatur >HWS<, fand Leandra den Titel des Bildes: Fluchtpunkt. Im ersten Moment klang dieses Wort befremdlich, aber sie verstand bald: Nicht die vordergründige Bedeutung dieses Wortes war maßgeblich, das gewöhnlich mit Kampf und Streit in Verbindung stand, sondern der Friede, der hier herrschte, in den man fliehen konnte, wenn einem der Tag allzu viel Verdruss beschert hatte. Vorgestern noch, nach dem Kampf gegen den Dämon, wäre eine gute Gelegenheit gewesen, hierher zu fliehen. Sie seufzte leise.
    Lorin von Jacklor stand hinter ihnen. Leandra spürte förmlich seine Blicke in ihrem Nacken. Irgendwie passte ein solch Ruhe und Frieden verbreitendes Bild nicht zu diesem Kerl.
    Sie wandte sich um, und er sah sie

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