Höhlenwelt-Saga 1 - Die Bruderschaft von Yoor
und der Stute mithalten. Er fragte sich, warum man ihm auf der Zwingfeste ein so gutes Pferd gegeben hatte. Aber wahrscheinlich kannten sich diese finsteren Gesellen mit Pferden nicht weiter aus. Till war jung und feurig, obwohl ein wenig nervös und widerborstig. Nicht zu gebrauchen für den Einsatz in einer Reiterei, wo Pferd und Reiter immer wieder wechselten. Jedenfalls nicht, wenn die Reiter von Pferden lediglich verstanden, wie man sich im Sattel hält und dem Tier die Sporen gibt. Victor hingegen hatte mit Till bald Freundschaft geschlossen. Er sprach mit ihm, beruhigte sein aufbrausendes Temperament und gab seinen jugendlichen Verspieltheiten nach. Den Lohn dafür erhielt er jetzt, denn mit Till unter dem Hintern konnte er mühelos die Nachhut bilden, behielt Leandra im Auge und war sicher, ziemlich schnell vorwärts zu kommen.
Er blickte öfter über die Schulter, aber er konnte von dem Getümmel an der Schmiede nichts mehr erkennen. Zu Beginn ihrer Flucht waren sie in den Schatten des Waldrands geritten, der sich an der Ishmar nach Norden entlangzog. Aber so, wie er Munuel verstanden hatte, lag das Problem nicht darin, dass man sie sehen könnte.
Waren sie erst einmal aus dem Blickfeld verschwunden, ging die Hauptgefahr vom Sucher aus.
Vor ihm jagte der Schatten von Leandra über die Wiese am Waldrand entlang, und er fragte sich, wie er dazu kam, sich für sie verantwortlich zu fühlen und sie beschützen zu wollen. Möglicherweise war sie die gefährlichste Frau der ganzen Welt. Mit ihrem Schwert würde sie stärkere Gegner bezwingen können, als er sich vorstellen könnte. Trotzdem fühlte er, dass da etwas war, wofür sie ihn brauchte. Er seufzte innerlich. Von einem Mädchen wie Leandra hatte er, der abgerissene und mittellose Vagabund, bisher nie zu träumen gewagt.
Ein Schatten über ihnen verfinsterte das Nachtlicht des Sonnenfensters. Erschrocken blickte Victor hinauf. Ein gellender Schrei fuhr herab, und einen Augenblick lang dachte er, einem seiner Gefährten wäre etwas zugestoßen. Aber dann wurde ihm klar, dass der Schrei von dem fliegenden Wesen stammte. Es war eines der beiden, die sie bereits gesehen hatten. Es flog etwa zehn Mannslängen über ihnen, und drei Köpfe an langen Hälsen beugten sich herab, um die Reiter zu attackieren. Victor sah mit Entsetzen, dass lange, krumme Vogelschnäbel an den knochigen Schädeln saßen und dass sich einer davon auf Leandra zubewegte.
Ohne nachzudenken hob er die Armbrust, die an seinem Sattelknauf hing, legte im Ritt auf das Monstrum an und zog den Auslöser. Ein heftiges Schnalzen verriet ihm, dass der Bolzen abgegangen war, und kurz darauf sah er zu seiner grenzenlosen Überraschung, wie im linken vorderen Flügel des Wesens ein riesiges Loch entstand. Das dreiköpfige Vogelmonster quittierte den Treffer mit einem kreischenden Aufschrei und fiel sofort zurück.
»Schneller!«, brüllte Victor nach vorn.
Mehr die Pferde als die Reiter verstanden seinen Ruf, und im nächsten Augenblick waren sie nochmals um ein Viertel schneller als zuvor. Victor blickte zurück. Das getroffene Vogelmonster war schon weit zurückgefallen, aber es schien sich eben zu fangen und wieder Geschwindigkeit zu gewinnen. Gleichzeitig aber wurde es von dem zweiten Tier überholt, und dieses schloss rasch zu ihnen auf.
Victor langte in seinen Lederbeutel und fummelte einen zweiten Bolzen hervor. Insgesamt besaß er nur fünf. Er befestigte den Bolzen in der Schiene und musste dabei für einige Momente die Zügel loslassen. Es war ein Glück, dass Till in diesem Augenblick nicht über irgendeine Bodenunebenheit galoppierte, sonst hätte er sich vielleicht nicht halten können. Mit einer momentanen Kraftanstrengung spannte er die Armbrust, nahm den herabhängenden Zügel wieder auf und sah sich um.
Es war gerade noch rechtzeitig.
27 ♦ Feuerglut
V ictor sah keine andere Möglichkeit mehr, als sich aus dem Sattel rutschen zu lassen. Diese Entscheidung fällte er innerhalb einer halben Sekunde, dann war er schon nicht mehr da. Till galoppierte alleine weiter.
Dort, wo Victor sich noch eine Sekunde zuvor befunden hatte, sauste ein gewaltiger Vögelschnabel vorbei und hätte ihn sicher in zwei Teile zertrennt, wäre er nicht abgesprungen. Till hatte ebenfalls Glück. Das harte Leder des Sattels ließ die Schnabelspitze abprallen, andernfalls wäre es wohl aus mit ihm gewesen.
Victor purzelte ins Gras und war im nächsten Augenblick schon wieder auf den Beinen. Munuel und
Weitere Kostenlose Bücher