Höhlenwelt-Saga 1 - Die Bruderschaft von Yoor
nicht. Sie wurden erst später gebaut.«
Ötzli schüttelte den Kopf. »Ich kann mir das nicht vorstellen. Ich weiß nicht, wie du unbemerkt mitten in die Höhle des Drachen gelangen willst.«
»Überlasst das mir«, sagte Munuel leichthin. »Ich will nur etwas auskundschaften und habe nicht vor, mich auf einen Kampf einzulassen. Ich will nur Gewissheit darüber erlangen, ob sich dort wirklich abspielt, was wir vermuten. Ich muss in Erfahrung bringen, welche Macht dahintersteckt. Nur wenn wir das wissen, können wir ihr gerüstet begegnen. Das seht ihr doch auch so, oder?«
Jockum zog die Stirn kraus. »Bist du sicher, Munuel, dass du das noch kannst? Jetzt, da du den Yhalmudt nicht mehr besitzt...«
Munuel winkte ab. »Lass das meine Sorge sein, Jockum! Du kannst mir glauben, dass ich es niemals wagen würde, wenn ich nicht noch ein paar Trümpfe im Ärmel hätte!«
Jockum nickte überzeugt. »Ja, ich glaube dir, mein Freund. Ich habe dich schon Dinge tun sehen, die ich niemals für möglich gehalten hätte. Ich weiß nicht, wie oft ich mich während all dieser Jahre gefragt habe, woher du dieses Wissen hast. Oft genug warst du mir regelrecht unheimlich!«
Nun war es an Munuel zu lächeln. »Ja, ich weiß. Aber habe ich jemals mein Wissen zum Schaden von jemandem angewandt?«
»Ich wüsste da jemanden!«, sagte Ötzli in einem Moment der Erleichterung. »Es war ein Gast aus dem Stygium, ein ganz gemeiner sogar ...!«
Die drei Magier gestatteten sich ein gemeinsames Lächeln. Es war, als wollte man für einen Moment alle Drangsal und Gefahr beiseite schieben. Man versuchte sich in Scherzen über den grauenvollen Gegner von damals. Seinen schlimmsten Feind zu verspotten und sich über ihn lustig zu machen war schon immer ein Mittel, seine Angst zu bannen. Der Erfolg ihres Versuchs der Heiterkeit war jedoch nur bescheiden.
»Warum tust du das, Munuel?«, fragte Ötzli. »Als du von Lakortas Schicksal hörtest, warst du so verstört, dass ich dachte, du würdest auf der Stelle kehrtmachen und zurück nach Angadoor gehen. Was treibt dich plötzlich mit solcher Macht mitten in die Gefahr hinein?«
Munuel dachte eine Zeit lang mit ernstem Gesicht nach.
»Ich will es euch erklären, meine Freunde«, sagte er dann. »Es gibt, neben Leandras Entdeckung, noch einen tieferen Grund, warum ich so sicher bin, dass von Hegmafor eine so große Gefahr ausgeht. Vor fast dreißig Jahren war ein sehr alter Magier bei uns in Angadoor zu Gast, der aus Hegmafor kam und auf der Reise nach Norden war. Er sagte, dass er unterwegs wäre nach den Reichen der Urmanier, weit entfernt von unserer Heimat.
Ich fragte ihn, was ihn dazu bewege, so weit fortzugehen. Er wollte es mir nicht sagen. Er wirkte sehr müde und erschöpft und bat ein paar Tage in Angadoor bleiben zu dürfen. Wir gewährten ihm natürlich unsere Gastfreundschaft. Mithilfe meiner Freunde und Nachbarn konnten wir ihm, dessen Gesundheit sehr angeschlagen schien, wieder ein wenig zu Kräften helfen. Er wollte kein Wort sagen, was ihn in so ferne Lande trieb. Dann erblickte ich ihn am dritten Nachmittag seines Aufenthalts am Fluss sitzend. Er las in einem seltsamen Büchlein, das schon von weitem eine gewisse Aura ausstrahlte. Ich näherte mich ihm, aber er bemerkte mich nicht. Aus Höflichkeit verursachte ich schon aus der Ferne Geräusche und hüstelte, sodass er sich nicht von mir überrascht fühlen musste. Aber er reagierte nicht. Ich sprach ihn an, aber er starrte nur in sein Büchlein; es schien, als befände er sich fern dieser Welt.
Als ich schließlich ihm gegenüber stand, merkte ich, dass etwas nicht stimmte. Ich beugte mich nieder und schüttelte ihn an der Schulter, aber er schien seltsam kalt und leblos zu sein. Die Augen waren geöffnet, und er starrte mit toten Blicken in das Buch. Langsam wurde mir sehr mulmig zumute. Ich studierte seine Haltung und sein Gesicht, und irgendetwas sagte mir, dass er nicht mehr unter den Lebenden weilte.«
Munuel blickte auf und musterte die Gesichter seiner beiden Freunde. Sie starrten ihn sehr ernst an. »Er war tatsächlich tot?«, fragte Ötzli leise.
Munuel nickte langsam. »Er war beinahe wie versteinert. Eine versteifte leere Hülle eines Menschen. Ich erschrak furchtbar und lief ins Dorf zurück und erzählte, was ich gesehen hatte. Mein alter Meister Gelmard war sehr beunruhigt. Da sonst niemand wagte, zum Fluss hinunter zu gehen, machten wir uns auf den Weg und untersuchten den alten Magier, der tatsächlich
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