Höhlenwelt-Saga 1 - Die Bruderschaft von Yoor
konnte. Er lief hilflos im Zimmer hin und her, unfähig, seine Bestürzung in Worte zu fassen.
»Ich wusste schon damals, dass es keine wirklich böse Form der Magie sein konnte«, versuchte Munuel zu erklären. »Es war nur eine experimentelle Form, könnte man sagen. Deshalb hatte ich den Lothse nie in Verdacht, er sei fremde Wege gegangen. Ich hatte jahrelang angenommen, dass ihn sein Gewissen aus Hegmafor weggetrieben hatte, da er für die Ausbildung Hunderter von Adepten und Jung-Magiern verantwortlich gewesen war. Es durfte nicht sein, dass man ihn ächtete, einen der größten und ehrenhaftesten Magier der damaligen Zeit.
Also beerdigten mein Meister und ich den Lothse an einer abgelegenen Stelle und sagten niemandem, wer er wirklich war.
Später machte ich mir Gedanken darüber, warum der Lothse sich mit dieser Magieform beschäftigt hatte. Als ein wahrer Meister hätte es für ihn in seinem Amt weder die Notwendigkeit noch den Wunsch geben dürfen, sich mit einer solch abseitigen Form der Magie zu beschäftigen. Deshalb dachte ich, er habe mit dieser Magie etwas Spezielles vorgehabt - vielleicht die Abwendung einer großen Gefahr, die man mit normaler Elementarmagie nicht hätte meistern können. Angesichts dessen, was passiert war, konnte ich keine andere vernünftige Erklärung finden.«
Ötzli, der aufmerksam zuhörte, nickte. Jockum hörte auch zu, lief dabei aber nervös im Zimmer umher.
»Ich beriet mich lange mit Meister Gelmard, und wir kamen zu dem Schluss, dass diese Folgerung die einzig sinnvolle sein konnte, zumal diese Form der Magie beileibe nicht ungefährlich erschien. Lothse hatte sicher gute Gründe gehabt, sich damit zu beschäftigen.«
»Und heute, da uns das Nachfolge-Direktorat von Hegmafor so gefährlich erscheint«, folgerte Ötzli, »offenbart sich ein Verdacht, gegen wen sich der Lothse wappnen wollte.«
»Ja. Vermutlich hatte er sich, als er Hegmafor verließ, noch nicht ausreichend mit der neuen Magieform beschäftigt, denn offenbar war er von jemandem vertrieben worden, der stärker war als er.«
»Wer könnte das sein? Ich habe nicht die geringste Vorstellung!«
Munuel blickte seine Brüder an. Er hatte sich fest vorgenommen, den Begriff Bruderschaft nicht ins Spiel zu bringen - solange er nicht absolut sicher war. »Ich hoffe, ich werde es bald wissen«, sagte er.
»Glaubst du wirklich, dass diese Leute nun schon seit dreißig Jahren ihr finsteres Spiel in Hegmafor treiben?
Irgendjemand hätte etwas merken müssen! Inzwischen sind dort Aberhunderte von jungen Magiern ausgebildet worden!«
Munuel verschränkte die Arme vor der Brust. Sein Blick war von tödlichem Ernst erfüllt. »Das ist ja das Schlimme«, sagte er.
Drückendes Schweigen breitete sich über den Raum.
Niemand sagte etwas, man wagte kaum mehr zu atmen. Die Vermutung, die in der Luft hing, war so furchtbar, dass man sie beinahe nicht aussprechen durfte.
Ötzli tat es dennoch. Seine Stimme war kalt und klar. »Du meinst, in Hegmafor könnte inzwischen auch etwas anderes unterrichtet worden sein als die Magie nach dem Prinzip der Kräfte.«
Jockum erzitterte. Mit wackligen Beinen stakste er zurück zu seiner Bank und ließ sich darauf nieder. Er starrte mit aufgerissenen Augen auf den Boden.
Munuel holte tief Luft. »Ich möchte euch etwas fragen. Ich kenne keinen einzigen Magier, der in Hegmafor ausgebildet wurde. Kennt einer von euch einen?«
Jockum blickte auf. In seinen Augen glomm ein Hoffnungsschimmer. »Ich kenne welche!«, sagte er. »Ja, etliche sogar. Einige sind hier bei uns im Ordenshaus, andere sind irgendwo auf dem Land Dorfmagier geworden.«
Diese Nachricht nahm die unerträgliche Spannung, die den Raum beherrscht hatte, ein wenig zurück. Jockum und Ötzli gestatteten sich ein schwaches Aufatmen.
»Freut euch nicht zu früh!«, warnte Munuel. »Das will nicht viel heißen! Im Gegenteil. Es könnte alles sogar noch viel Schlimmer machen!«
Ötzli richtete sich auf. »Am meisten Angst macht mir, dass du nachgeforscht hast. Du weißt vieles, und wenn du nachzuforschen beginnst, dann bringst du schlimme Nachrichten. Das war schon damals so.«
Diese Erklärung bedrückte Munuel. Er, ein Unglücksbote. Für den Moment aber ließ er sich nichts anmerken.
»Hört mich an«, sagte er.
Seine beiden Brüder nickten ihm zu.
»Wenn ich«, begann er, »in Hegmafor etwas Verbotenes tun wollte - wie zum Beispiel eine geheime Schule einzurichten, dann würde ich sie tarnen, indem dort die
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