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Höhlenwelt-Saga 1 - Die Bruderschaft von Yoor

Titel: Höhlenwelt-Saga 1 - Die Bruderschaft von Yoor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Evers
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Sonnenaufgang wachte Munuel auf. Es war schon spät an diesem Morgen, bestimmt nach acht Uhr.
    Für einen Moment ärgerte er sich, weil ihn niemand geweckt hatte. Dann fiel ihm ein, dass niemand außer seinen Gefährten wusste, dass er gleich heute früh aufbrechen wollte - und diese waren nun beileibe nicht dafür zuständig, ihn morgens aufzuwecken.
    Er richtete sich auf, schwang die Beine aus dem Bett und erhob sich. An der Wand gegenüber hing ein Spiegel, und er betrachtete sein Gesicht. Wasserblaue Augen blickten ihm entgegen, und seine Gesichtshaut war für einen Mann von einundsechzig noch erstaunlich glatt. Er beglückwünschte sich, in seinem Alter noch so gesund und kräftig zu sein. Bei dem, was ihm jetzt bevorstand, würde er auch all seine Kräfte brauchen.
    Er suchte nach einem Handtuch und füllte Wasser aus einer Kanne in die Waschschüssel. Er würde bald nach Hegmafor aufbrechen, und das war nicht gerade ein erfreulicher Gedanke. Immerhin würde er Leandra noch einmal sehen. Die Frage war nur, ob er sie schnell fand. Allzu weit konnte sie noch nicht sein, und er wusste ja, wo sie hin wollte. Er brauchte nur irgendwelche Männer, egal welchen Alters, nach ihr zu fragen. Ein so hübsches Mädchen würden nur die wenigsten übersehen.
    Er musterte seine Züge und strich sich über den grauweißen Bart. Munuel, der Dämonenjäger. So hatte er sich damals selbst zynisch genannt. Er hatte es jedoch nie ausgesprochen, und zum Glück war er bis heute von diesem Namen verschont geblieben. Er gefiel sich nicht unbedingt in der Rolle eines Kämpfers. Sie war ihm zugefallen. Seine größte Befriedigung hatte er zeitlebens darin gefunden, anderen Menschen zu helfen und sich zugegebenermaßen ein wenig in ihrer Bewunderung und Dankbarkeit zu sonnen. Munuel, der Menschenfreund, der Helfer und Heiler, ja, so hätte man ihn nennen dürfen.
    Das hätte er gern gehört. Aber auch dazu war es nicht gekommen.
    Für das, was ihm bevorstand, besaß er den unschätzbaren Vorteil, kaum bekannt zu sein, obwohl er in seinem Leben mehr gefährliche und hochgradige Magie gewirkt hatte als die meisten anderen Magier dieses Landes.
    Hätte man ihm einen dieser Namen zugedacht, dann hätte er ganz sicher keinen Fuß in die Abtei von Hegmafor setzen können, ohne sofort erkannt zu werden.
    Er griff nach der Waschschüssel, um sich wie jeden Morgen zu erfrischen. Kaltes Wasser auf Gesicht und Oberkörper, das machte ihn wach und munter.
    Beinahe wäre es ihm entgangen.
    Zwischen dem ersten und dem zweiten Wasserschwall, die kurz aufeinander folgten, war ihm für einen winzigen Moment, als hätte jemand versucht, Kontakt zu ihm aufzunehmen. Er stutzte, blickte in den Spiegel, lauschte ...
    aber da war nichts. Er kam zu dem Schluss, dass ihn das kalte Wasser verschreckt hatte. Doch als er zur nächsten Handvoll in die Schüssel langte, hörte er es wieder.
    Er trocknete sich schnell das Gesicht ab, setzte sich auf die Bettkante, stützte die Ellbogen auf die Knie und nahm das Gesicht in die Hände. Es war seine Pose äußerster Konzentration.
    Eine klägliche Stimme rief seinen Namen.
    Er kniff die Augenlider zusammen, verfolgte das Echo im Trivocum und näherte sich, so schnell er konnte, der Quelle des Rufs.
    Munuel!
    Es war Leandra! Ein rasender Schreck erfasste ihn.
    Leandra! Was ist mit dir?
    Ihre Antwort war nur ein wiederholter Ruf seines Namens. Es war ein Hilferuf der jämmerlichsten Art, der ohne jegliche Form durchs Trivocum eilte, da sie die Iterationen, Botschaften durchs Trivocum zu schicken, noch nicht kannte. Sie stieß ihren Hilferuf blank und roh ins Trivocum, einfach nur mit der Kraft ihres Willens. Und das musste bedeuten, dass irgendetwas Schreckliches passiert war. Munuel reagierte sofort. Er konzentrierte sich kurz, dann stieß er einen Speer ins Trivocum. Lange hatte er nicht mehr so eine Gewaltmaßnahme angewendet.
    Wie in Trance erhob er sich, kleidete sich rasch an, raffte seine Ausrüstung zusammen und verließ das Zimmer.
    Er eilte die Treppen hinab und stürzte ins Refektorium. Seine Gefährten, die gemeinsam beim Frühstück saßen, schössen in die Höhe.
    »Ötzli, Jockum!«, rief er mit halbem Geist abwesend, um den ständigen Kontakt zum Trivocum nicht abreißen zu lassen. »Ich muss sofort gehen! Leandra ist in Gefahr. Ich melde mich, so schnell ich kann!«
    Damit hatte er das Refektorium schon verlassen, eilte die Treppenstufen des Hauptgebäudes hinab und wandte sich den Stallungen zu.

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