Höhlenwelt-Saga 5 - Die Schwestern des Windes
einen halben Tag gedauert hatte, vernichtend geschlagen worden – und zwar nicht nur ihre Armee innerhalb der Höhlenwelt, sondern auch ihr gigantisches Mutterschiff, dessen Wrack dort draußen im All noch immer den Planeten umkreiste. Niemals würden diese Bestien es wagen wiederzukehren, dessen war man sich sicher.
Denn die Höhlenwelt hatte die mächtigsten Beschützer, die man sich nur denken konnte: die Drachen. Es waren ihrer Hunderttausende – und keine Macht war ihnen gewachsen.
Mit den Drakken war endlich auch die Bruderschaft, dieser zweittausend Jahre alte Fluch, von der Höhlenwelt gewichen. Ihr Terror war beendet, ihre Herrschaft gebrochen und das Kriegsrecht, das der Hierokratische Rat verhängt hatte, endlich wieder aufgehoben. Die Garnisonsbaracke in Angadoor, in der Leandra vor nicht allzu langer Zeit noch Frondienste hatte leisten müssen, war abgerissen, und die Soldaten waren verschwunden. Kein finsterer Duuma-Mann weit und breit, kein Ausgangs- und Reiseverbot und keine abendliche Sperrstunde mehr. Cathryn konnte mit den anderen Kindern so lange spielen wie sie mochte, und niemand musste sich mehr Gedanken machen, wenn er abends noch Lust verspürte, über die Wiesen zu spazieren und das Funkeln der Sterne durch die Sonnenfenster hindurch zu beobachten. Einzig die Erinnerungen waren es noch, die wehtaten.
Es hatte Schmerz, Tod, Verrat, Opfer und Trauer gegeben – und Leandra hatte ihre große Liebe Victor verloren. Aber sie bemühte sich, die Gedanken daran von sich fern zu halten. Am meisten hatte ihr dabei ihre neue Aufgabe geholfen. Da sich ihr Lehrer Munuel schon seit vielen Wochen dem Wiederaufbau des Cambrischen Ordens in der Hauptstadt Savalgor widmete, hatte sich Leandra darauf verlegt, in Angadoor die Aufgaben einer Dorfmagierin zu übernehmen. Die Leute schenkten ihr, der großen Heldin, grenzenloses Vertrauen. Immer wenn Not am Mann war, half sie aus: mit Heilkunde, Kräutern, Gebrauchsmagien und allem anderen, was ihr gerade in den Sinn kam. Manchmal spendete sie auch nur Trost oder half mit geheimnisvollen Rezepten, wenn eines der jungen Mädchen an Liebeskummer litt oder einer der Männer sich müde und kraftlos fühlte. Sie erhielt Geschenke und wurde fast täglich zum Essen eingeladen. Wenn es ihr zu viel wurde, zog sie sich einfach für ein paar Tage zurück; manchmal schlief sie dann irgendwo an einem See oder zog mit Cathryn für ein paar Tage durch die Gegend.
Als hätte die Kleine wiederum ihre Gedanken gespürt, schoss sie plötzlich in die Höhe. »Was machen wir jetzt?«, fragte sie unternehmungslustig.
Leandra richtete sich auf und blickte wieder hinüber zum Waldrand. Spontan fasste sie einen Entschluss.
»Lauf schon ins Dorf, Schatz«, sagte sie. »Ich will noch kurz nach etwas sehen.«
Cathryn stemmte die kleinen Fäuste in die Hüften und zog die Stirn kraus. »Bist du sicher, Leandra?«
Leandra lächelte. Cathryn hatte viele Qualitäten, unter anderem konnte sie, wenn sie erwachsen spielte, unheimlich witzig sein.
»Ja doch«, grinste sie. »Geh nur. Ich bin ein großes Mädchen und kann schon eine Weile auf mich selbst aufpassen.« Wieder blickte sie zum Wald hinüber.
»Der Asgard ist nichts für dich!«
Cathryn musterte sie zweifelnd, dann setzte sie, von einem Moment auf den anderen, ein strahlendes Lächeln auf. »Ist gut!«, rief sie, wandte sich um und rannte den Weg in Richtung des Dorfes hinab.
Kurze Zeit darauf war sie verschwunden.
Leandra sah ihr kopfschüttelnd hinterher. Was die plötzliche Zustimmung Cathryns bewirkt hatte, vermochte sie nicht zu sagen.
Aber das war wohl der Zauber ihrer kindlichen Seele.
Sie stand auf und musterte die kleine Brücke.
Sollte sie es tatsächlich wagen? Sie wusste nicht einmal, was sie dort zu finden oder besser: nicht zu finden hoffte. Die mystischen Kräfte des Asgard flößten ihr noch immer ein Gefühl der Unsicherheit ein.
Los jetzt!, trieb sie sich selbst an und setzte sich in Bewegung.
Entschlossenen Schrittes überquerte sie die kleine Holzbrücke. Als sie auf der anderen Seite anlangte, wurde ihr klar, dass sie ein Aurikel im Trivocum geöffnet hatte. Fünfte Stufe, eine durchaus ansehnliche magische Kraft also, mit sauberen, hellgelben Rändern und bereit, stygische Kräfte ins Diesseits zu lenken, wenn sie es nur wollte.
Warum nicht?, dachte sie. Warum sollte sie sich nicht schützen?
Sie war inzwischen eine ungleich bessere Magierin als damals; mittlerweile konnte sie sich wehren, ganz
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