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Höhlenwelt-Saga 5 - Die Schwestern des Windes

Titel: Höhlenwelt-Saga 5 - Die Schwestern des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Evers
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Boden. Roscoe stemmte sich in die Höhe – da flog ihm Alvarez entgegen. Augenblicke später lag er wieder am Boden. Zum Dank für das Abfedern erhielt er von Alvarez einen Schlag gegen die Schläfe. Wes fügte noch einen Tritt gegen den Oberschenkel hinzu, und Roscoe heulte vor Schmerz auf. Jetzt fehlte nur noch, dass sich Vasquez plötzlich darauf besann, Rache für all die erlittene Schmach üben zu wollen. Mit dröhnendem Schädel und schmerzenden Gliedern blieb er liegen und beschloss, den Kopf unten zu halten. Plötzlich erstarrte die Zeit.
    Es war, als hatte jemand die Welt um sie herum von einem Moment auf den anderen in einen zähen Brei gestoßen oder sie in klebrige Zuckerwatte gepackt. Roscoe konnte sich kaum noch bewegen. Er sah, dass auch die anderen wie in einer dickflüssigen, jedoch durchsichtigen Masse feststeckten. Wunderbarerweise ließen sogar die Schmerzen nach. Für Sekunden überließ er seinen gepeinigten Körper dem wohltuenden Gefühl; dann erst verstand er, was geschah.
    Langsam drehte den Kopf, bis er sie im Blick hatte – Leandra.
    Sie stand am Rande des Chaos, hielt ihr seltsames steinernes Amulett mit der Faust umschlossen und hatte die andere Hand leicht erhoben. Ihre Augen waren halb geschlossen. Vasquez stand hinter ihr und hielt mit beiden Händen ihre Schultern. Endlich hörte er etwas.
    Es war Leandras Stimme, eine Mischung ihres feinen, mädchenhaften Soprans und eines tiefen, verzerrten Klangbilds, das wie eine zu langsam abgespielte Aufnahme dröhnte. Sie rief etwas in ihrer fremden Sprache, und ihre Stimme war voller Ärger und Missbilligung. Roscoe musste ihre Worte gar nicht verstehen, um zu wissen, was sie wollte. Sie forderte, dass sie sich wie erwachsene Männer benahmen und mit der lächerlichen Schlägerei aufhörten.
    Er stieß ein erleichtertes Seufzen aus und blieb, wo er war. Seine Schulter, sein rechtes Knie, die linke Rippenpartie und sein Magen waren nur noch fremde Bereiche, die dumpf rumorten. Als das seltsame Gefühl dann endlich verebbte und die Beweglichkeit wie auch die Schmerzen zurückkehrten, ließ er stöhnend seinen Kopf zurücksinken. Es wurde Zeit, dass dieser verrückte Tag endete und ein neuer begann. Er nahm sich vor, heute mit niemandem mehr zu reden und sich nur noch in irgendeine abgelegene Ecke zu verkriechen, wo er sich seine Wunden lecken konnte – die körperlichen wie auch die seelischen.

24
Natur und Welt
    U nglaublich!«, sagte Jockum kopfschüttelnd und sah sich um.
    »Dass diese Grotte seit über zweitausend Jahren unentdeckt blieb!«
    Marina lächelte. »Dabei lag sie die ganze Zeit direkt vor unserer Nase.«
    »Das Wasser!«, meinte Azrani aus dem Hintergrund, und ihre Stimme erzeugte einen leichten Hall in der Grotte. »Das Wasser ist schuld. Wer mag sich schon unter einen Wasserfall stellen, um zu sehen, wohin eine kleine Felsspalte führt?« Jockum nickte und blickte sich noch einmal mit erhobener Fackel um. Die Grotte hatte das typische Aussehen aller Höhlen, die es unter Savalgor so zahlreich gab: zerklüfteter grauer Fels, wie von Wasserströmen ausgewaschen. Sie war nicht groß, etwas kleiner als das Refektorium des Ordenshauses, dafür aber sehr feucht. Von Süden her plätscherte über einen Felsbuckel das zufließende Wasser in die Grotte und sammelte sich in einem kleinen Teich, wo es augenscheinlich versickerte. Ein zweiter Teich wurde vom Wasser des Cambrischen Quells gespeist, das durch eine Öffnung in der Höhlendecke herabregnete. Vom Teich floss es weiter durch eine Rinne unter einen flachen Felsen und verschwand irgendwo in der unbekannten Tiefe der Grotte.
    »Und… wie kommt das Wasser da hinauf? Zu unserem Cambrischen Quell?«, fragte Jockum und deutete in die Höhe.
    »Runenzeichen, Hochmeister. Wen wundert’s? Ihr hattet Recht, unser Freund Phenros war ein Meister der Runen. Seht hier!« Azrani balancierte über Felsbrocken hinweg auf die andere Seite des ersten kleinen Teichs, ging dort in die Hocke und deutete auf ein seltsames Felsgebilde, das versteckt am linken Rand des Tümpels lag. Es verschmolz mit der dahinter liegenden Wand und schmiegte sich in eine Nische zwischen großen Felsbrocken. Ein flacher Tunnel, durch den das Wasser floss, führte in die Dunkelheit.
    Jockum trat so weit nach links wie er konnte und hob die Fackel. Das Licht der beiden Öllampen, die sie gestern hier heruntergebracht hatten, war nicht sehr hell und reichte nicht bis in die Nischen. Doch im Licht der Fackel konnte er

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