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Höhlenwelt-Saga 5 - Die Schwestern des Windes

Titel: Höhlenwelt-Saga 5 - Die Schwestern des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Evers
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erklärte Septos unterwegs mit leiser Stimme, »dass sich Chast einmal irgendeiner Ungeheuerlichkeit verschrieben haben muss. Anders, meinen sie, sei es nicht zu erklären, dass nach seinem körperlichen Tod sein Leichnam auf diese schreckliche Weise aktiv ist.« Rasnor blickte Septos nur kurz an, sagte aber nichts. Nach dem, was der Wächter ihm angedeutet hatte, war es vollkommen klar, dass Chast etwas Derartiges getan haben musste. Es fragte sich nur, was.
    Als sie die Bibliothek erreichten und in den ersten Saal eintraten, war es, als beträten sie eine andere Welt. Hier lasteten die Geheimnisse vergangener Jahrhunderte; Rasnor wusste, dass die Bibliotheken von Hegmafor kein Hort des zeitgemäßen Wissens waren. Nein, hier war das gesammelt, was die Menschen lange vergangener Zeitalter erforscht hatten. Seit vielen Jahrzehnten schon hatte kaum mehr neues Wissen in die alten Mauern dieses Ortes Einzug gehalten – das fand sich inzwischen fast ausschließlich in den Bibliotheken der großen Städte. Leise durchquerten sie einen großen, schweigenden Saal mit hohen Stellwänden voller Bücher, auf denen die Zeit und der Staub wie ein dunkles Vermächtnis lasteten. Rasnor war lange nicht mehr hier gewesen und verspürte wieder jenes seltsam bedrückende Gefühl jener unaussprechlichen Mysterien, die zwischen den brüchigen Seiten lauerten und darauf warteten, dass irgendein unbedachter Novize zu tief in alte, verbotene Texte hineinlas und irgendetwas Grauenhaftes zu neuem Leben erweckte. Nein, korrigierte sich Rasnor. Hier gab es zwar eine Menge alter kryptischer Texte, aber das wirkliche Grauen steckte in den Seiten der Verbotenen Bücher – jener Schriftstücke und Folianten, die in den verschlossenen Teilen der Bibliothek gelagert wurden. Und natürlich in den Geheimarchiven der Bruderschaft. Septos geleitete ihn durch die stille Halle, in der jeder noch so leise Schritt wie eine ungehörige Störung wirkte. Als sie am anderen Ende des Saales angelangten, ging es eine kleine Treppe hinauf und in einen kleinen Nebenflügel, wo ebenfalls Bücher gelagert wurden. Hier gab es nicht einmal Fenster, und es kündigte sich an, dass der Besucher in Bereiche vordrang, in denen sich dunkle Werke sammelten. Septos trat zu einer unscheinbaren Tür, die am anderen Ende dieses Flügels versteckt hinter mehreren Regalreihen lag. Sie bestand aus dickem schwarzem Holz und war mit schweren Eisenbändern beschlagen. Rasnor fühlte einen Schauer. Aus seiner Novizenzeit wusste er noch, dass diese Tür zu einem jener verbotenen Archive führte – er hatte den Raum nie betreten dürfen.
    Septos zog einen schweren Eisenschlüssel hervor, danach noch einen und noch einen. Drei Schlösser besaß diese Tür, dann erst konnte man sie öffnen.
    Rasnor staunte, als sich dahinter nur eine steinerne Treppe offenbarte, die hinab in die Dunkelheit führte. Septos ließ ein winziges magisches Licht aufflammen und winkte Rasnor eilig hinein.
    Von innen versperrte er die Tür wieder. »Eine Tarnung«, erklärte er flüsternd. »Die Schlüssel gelten als verloren, und es heißt, hinter dieser Tür lauere etwas Böses.« Er grinste. »Aber es ist nur eine Treppe. Eine Treppe, die in die alten Keller hinabführt.«
    Rasnor nickte. Nun näherten sie sich endgültig dem Ziel, und es gab kein Zurück mehr. Septos ging wieder voraus. Nach einer Welle und jenseits eines kleinen Labyrinths von engen Gängen und Treppen erreichten sie einen Abschnitt, indem es wieder eine Beleuchtung durch Öllampen gab. Bald darauf begegneten sie den ersten Brüdern. Man begrüßte Rasnor ehrerbietig, um nicht zu sagen: unterwürfig. Er wusste, dass sein künftiger Ruf als Hoher Meister nun ganz entschieden davon abhing, ob er eine gute Figur bei dem Problem mit Chasts Leiche abzugeben vermochte. Ob es ihm darüber hinaus gelang, sie zum Schweigen zu bringen, war noch eine ganz andere Frage. Zum Schweigen bringen?, verhöhnte er sich selbst. Im Gegenteil, du Holzkopf! Reden soll sie! Septos holte mehrere Fackeln und teilte zwei Brüder ein, die sie, mit Licht bewaffnet, begleiten sollten. »Dort unten kann man kaum mehr eine Magie wirken«, erklärte er seine Maßnahme. »Sicher ist sicher.« Rasnor fröstelte. Dann begannen sie den Abstieg.
    Irgendwo kam ein Punkt, ab dem die schmalen Tunnel und Gänge alt wirkten. Wirklich alt, nicht im Sinne von Jahrhunderten.
    Es war die Art, wie die Stollen durch den Fels getrieben waren, roh, altertümlich, mit einfachsten Werkzeugen

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