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Höhlenwelt-Saga 5 - Die Schwestern des Windes

Titel: Höhlenwelt-Saga 5 - Die Schwestern des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Evers
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schnell.
    Die Körperform des Wesens konnte sie nicht recht erkennen, da sie es nur von der Seite sah. Es hatte etwas von einer riesigen Grille an sich, mit geknickten Hinterbeinen und einem lang gestreckten Leib. Einen Kopf sah sie nicht, vielleicht waren die Wahrnehmungsorgane dieser Monstrosität im Oberkörper… oder sie hatte gar keine. Vielleicht, weil sie so etwas nicht benötigte; vielleicht, weil sie sich auf der magischen Ebene orientierte.
    Das erinnerte Marina an die eigenen, neu gewonnenen Fähigkeiten in Sachen Magie. Doch außer dem Kunst, das Trivocum mit dem Inneren Auge sehen zu können, sowie der alten, gemeinsamen Sprache der Drachen und der Menschen hatte sie noch nicht viel gelernt. Eine Magie, um sich gegen dieses Biest wehren zu können, lag weit jenseits ihrer Fähigkeiten.
    Heftig atmend stand sie da und überlegte, was sie tun sollte.
    Und dann sammelte die Kreatur die Pyramiden ein.
    Marinas Herz machte einen Satz. Das durfte nicht sein!
    Der drängende Gedanke, dass sie irgendetwas unternehmen musste, aber nicht wusste, was, fesselte sie an ihren Platz. Sollte sie das Wesen mit bloßen Händen angreifen? Floh es vielleicht, wenn sie mit Getöse ins Refektorium stürmte? Die Antwort darauf bekam sie sofort. Sie musste irgendein Geräusch gemacht haben, denn plötzlich fuhr das Wesen herum.
    Ja, es war ein Monstrum. Marina sah nun, wo sich der Kopf des Wesens befand: der gesamte lang gestreckte Teil, den sie für den Körper gehalten hatte, war nichts als eine monströse Visage, ein zähnestarrendes Maul in einem Albtraum von einem Gesicht. Gehörnt, mit tastenden Fühlern und widerlichen Tentakeln, die das Maul umgaben, kam das Biest auf sie zu. Der türkisfarbene, leuchtende Leib hatte ein erschreckendes Rotorange angenommen, und es zischte wie eine Raubkatze. Marina schrie auf. Sie ließ die Öllampe fallen, die scheppernd auf dem Steinboden auftraf und augenblicklich verlosch. Sofort stand sie im Dunkeln, nur noch von dem giftigen Lichtschein angestrahlt, der durch den Türschlitz auf sie fiel. Sie wirbelte herum, rutschte auf der Öllache aus, kämpfte um Halt und versuchte, einen Vorsprung zu erlangen. Keuchend und strampelnd arbeitete sie sich von der Tür weg, kam wieder auf die Füße und rannte in die Dunkelheit hinein, in die Richtung, in der sie den Gang vermutete. Ihre Augen flimmerten von Nachbildern des gleißenden Strahlens. Die Arme nach vorn gestreckt, hastete sie weiter, stolperte und erkannte mit Entsetzen, dass sie von dem Licht verfolgt wurde. Hinter ihr wurde es heller.
    Eine physische Gewalt packte sie, eine Welle; sie verlor den Boden unter den Füßen, wurde davongehoben. Ihr letzter Gedanke galt der schweren Holztür, die sich irgendwo vor ihr befinden musste und gegen die sie in wenigen Augenblicken mit dem Kopf voran krachen musste.
    Als der Aufschlag kam, war er erstaunlich weich.
    Ihr blieb die Luft weg, sie kugelte davon, überschlug sich, blieb irgendwo benommen liegen und spürte dabei, wie sich die Welt von diesem Wahnsinn entleerte, wie das namenlose Etwas durch ein Schlupfloch glitt oder davongesogen wurde.
    Endlich war es vorbei.
    Sie vernahm ein Ächzen.
    Es war völlig dunkel um sie herum, erst nach Sekunden erkannte sie über sich das graue Viereck eines Fensters, dann noch eins, gleich daneben.
    »Ma-Marina?«, keuchte jemand.
    Ihr Herz pochte wild. Sie spürte, dass diese Stimme zu niemandem gehören konnte, der ihr etwas antun wollte. Es ist der Junge vom Tor, schoss es ihr durch den Kopf.
    »Wer… wer ist da?«, fragte sie, um seinen Namen zu erfahren.
    »Ich bin’s… Marius«, kam die Antwort.
    Marius? Den Namen kannte sie nicht… Doch dann wusste sie plötzlich, wem die Stimme gehörte. Dem untersetzten, etwas rundlichen Burschen mit dem rosigen Gesicht. Ja, er war derjenige, der ihr zuvor aus dem Hof zugerufen hatte.
    »Was… was ist passiert?«
    »Das frage ich dich!«, erwiderte er.
    Sie hörte, wie er sich in die Höhe stemmte, dann folgten Schritte, eine Tür quietschte und sie sah einen schwachen Lichtschein.
    Kurz darauf kam er wieder zurück – diesmal mit einer Öllampe. Er kniete sich neben sie.
    »Alles in Ordnung mit dir?«
    Sie seufzte erleichtert. »Ja. Es geht.«
    »Du kamst mir entgegen, als hätte dich ein Katapult abgeschossen. Als wären dir alle Höllendämonen auf den Fersen!«
    Ein Blick in die Umgebung sagte ihr, dass sie es bis nach draußen geschafft hatte, auf den oberen Balustradengang. »Kann man wohl sagen.

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