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Höhlenwelt-Saga 5 - Die Schwestern des Windes

Titel: Höhlenwelt-Saga 5 - Die Schwestern des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Evers
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Hast du nichts gesehen?«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich öffnete gerade die Tür. Du schriest, dann kamst du auch schon.« Marina stand auf und blickte sich um. Schräg links von ihr lag die Portaltür, aber sie schien von dem gewaltigen Sturm der stygischen Kräfte völlig unberührt.
    Und das Ordenshaus lag in nächtlichem Frieden vor ihr, als wäre hier nicht das Geringste geschehen.
    »Wie bist du so schnell hier herauf gekommen?«, wollte sie wissen. »Von meinem Schrei bis zu dem Moment, da ich…«
    »Ich war schon hier oben«, erklärte er und deutete in den Hof hinab. »Bin gerade abgelöst worden. Es ist zwei Stunden nach Mitternacht.« Marina nickte. Unten im Hof sah sie jemanden stehen, offenbar der Novize, der Marius abgelöst hatte. »Alles klar bei euch da oben?«, hörte sie. »Was war das für ein Krach?«
    »Schon gut«, rief Marius nach unten. »Geh wieder auf deine Wache.«
    Marina musterte den Jungen. Er war etwa so groß und so alt wie sie, ein pausbäckiger Bursche mit schüchternem Gehabe und einigen Pfund Übergewicht. Seine braunen Haare trug er bürstenartig kurz geschoren. An seiner Gesichtshaut erkannte sie gleich, dass er zu dem Typ gehörte, der seine babyweiche Haut noch bis weit ins Mannesalter behalten würde – und dass er trotz seiner etwa zwanzig Jahre noch eine ganze Weile benötigen würde, Letzteres zu erreichen. Er wirkte nicht gerade wie der heldenhafte Kämpfer, den sie vor zwei Minuten noch hätte gebrauchen können, aber sein Rücken war breit, und er schien wild entschlossen, für sie in den Krieg zu ziehen – wie wohl die meisten Novizen hier. »Würdest du… mitkommen?«, fragte sie vorsichtig. »Ich meine, ins Refektorium? Ich muss nachsehen, was dort vorgefallen ist.«
    Marius schenkte ihr ein schüchternes Lächeln. »Ja. Sicher.«
    Sie blickte zur Tür und hatte plötzlich Angst vor dem eigenen Mut. Wenn Marius nichts von der Erscheinung mitbekommen hatte, dann musste es etwas gewesen sein, das ganz speziell ihr selbst gegolten hatte. Deswegen mochte es auch umso gefährlicher sein, weil es bedeutete, dass hier ein Meister am Werk gewesen war. Ein Feind, der sich versteckt hielt und über mächtige Magie gebot. Dass dieses Monstrum von jemandem geschickt worden war, stand für sie außer Frage. Aber von wem? Von Rasnor und seinen Schergen? Marius deutete ihr Zögern richtig. Er nickte, wandte sich um und ging voraus. Marina folgte ihm, noch immer mit Furcht im Herzen. Als sie den Gang erreichten, lag er stumm und dunkel vor ihnen. Ängstlich spähte sie voraus, ob sie irgendwo etwas von dem fahlen, türkisblauen Licht dieser schrecklichen Kreatur entdecken konnte. Aber da war nichts, nur Dunkelheit. »Was war denn los?«, fragte Marius flüsternd. Marina fühlte sich hinter seinem breiten Rücken sicherer und sah sich in ihrer Ahnung bestätigt, dass Männer vielleicht doch nicht vollkommen unnütz auf dieser Welt waren. Mit knappen Worten beschrieb sie ihm, was sie erlebt hatte. Erlebt zu haben glaubte.
    Marius, obwohl unsicher, erwies sich als taktvoller Vertreter seines Geschlechts. Er erklärte ihr nicht, dass sie wohl vollkommen verrückt sei und gewiss nur Hirngespinste gesehen habe. Bedächtig schritt er mit seiner Öllampe in der Hand voran, sodass sie das Gefühl bekam, er täte wirklich alles, um sie zu verteidigen, wenn plötzlich irgendein schreckliches Wesen auftauchte. Aber es tauchte keines auf.
    Sie erreichten unbehelligt die Tür zum Refektorium. Marius spähte durch den halb offenen Türspalt hinein, entdeckte aber nichts. Vorsichtig öffnete er die Tür ganz. Vor ihnen lag die Dunkelheit des Speisesaals. Nur am anderen Ende, wo auf den Tischen die Pyramiden und die ausgebreiteten Blätter auf dem Boden lagen, drang schwaches, graues Nachtlicht durch zwei mit vielen kleinen Butzenscheiben verglaste Fenster.
    »Hier ist es passiert?«, flüsterte er.
    »Ja«, hauchte sie zurück.
    Damit schien der Fall erledigt zu sein. Nichts drohte hier, inzwischen nicht einmal mehr ein mulmiges Gefühl. Der Geist war fort.
    Marius ging voraus, und sie durchquerten die kleine Halle. Die vorderen Bänke waren bereits für das Frühstück mit Tellern und Besteck gedeckt.
    Nicht einmal Unordnung herrschte auf ihnen.
    Nacheinander entzündete er die größeren Öllampen, die auf den Tischen standen, und Marina nahm die Pyramiden in Augenschein. Es schien keine zu fehlen. Die auf dem Boden ausgelegten Blätter waren nicht einmal verrutscht.
    »Ich weiß«, sagte

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