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Höhlenwelt-Saga 5 - Die Schwestern des Windes

Titel: Höhlenwelt-Saga 5 - Die Schwestern des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Evers
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Viertelstunde. Dann wurde er langsamer und hielt schließlich an.

28
Die Stimme
    J emand hatte Ötzli einmal gesagt, dass man Gebäude wie die Cambrische Basilika in Savalgor deswegen so hoch und so weit baute, damit die Blicke des Betrachters nach oben gelenkt wurden, wo er die ganze Wucht der über ihm versammelten Mächte verspürte.
    Das konnte er nun voll und ganz bestätigen. Er vermochte kaum seinen Blick unten zu halten, als er mit seinem Gefolge am südlichen Ende eines riesigen, kreisrunden Feldes in der Mitte der Halle Aufstellung nahm. Der Kreis musste eine halbe Meile Durchmesser haben. Immerzu jedoch musste er hinaufblicken, von wo sanftes, ungewöhnlich warmes Licht zu ihm herabdrang.
    Julian stand neben ihm; die sechs Drakken hatten sich hinter ihnen nebeneinander aufgereiht. Der riesenhafte Kreis, genau in der Hallenmitte gelegen, war nichts als eine einfache Vertiefung mit einem metallgefassten Rand, die kaum mehr als eine Handbreit unterhalb des übrigen Bodens lag. Das Material des Kreises war allerdings faszinierend. Es schien aus geschwärztem Glas zu bestehen und war so glatt und ohne jeden Makel, dass man glaubte, im Nichts zu schweben, wenn man darauf stand. Kein Staubkörnchen, kein Kratzer und keine Schliere waren weit und breit zu entdecken. Das umgebende Licht war mild und rötlich gelb und stammte aus einer Unzahl von winzigen Lichtern, die wie Sterne hoch droben an der Decke der Halle standen. Nach wie vor war alles von dem untergründigen, leisen Vibrieren erfüllt. Doch in der Luft lag zusätzlich ein dunkles, kaum hörbares Dröhnen, das beunruhigend wirkte.
    »Tritt vor, Lakorta«, hörte er eine tiefe, seltsam nahe Stimme.
    Die Sprechweise war gepflegt, der Unterton aber von tiefem Bass und von unduldsamer Härte. Sie hatte geklungen, als stünde der Sprecher unmittelbar vor ihm. Erschrocken sah er sich um. Aber da war niemand. Erst nach einer Weile entdeckte er im Halbdunkel über der schwarzen Glasfläche einen Schemen – weit entfernt.
    »Ist er das?«, flüsterte Ötzli und nickte in Richtung der Gestalt.
    »Ich glaube schon«, kam es leise von Julian zurück.
    Ötzli atmete langsam durch die Nase ein und aus. Er versuchte, seinen Herzschlag zu beruhigen. Furchtsam setzte er sich in Bewegung. Jeder Schritt widerstrebte ihm, aber ihm blieb nichts anderes übrig, als sich dieser Gestalt zu nähern. Sie stand allein mitten auf der glatten Fläche und bewegte sich nicht. Als Ötzli näher kam, konnte er erste Einzelheiten erkennen. Es schien sich um einen enorm hoch gewachsenen Mann zu handeln, der eine lange, schwarze, nach unten breiter werdende Robe trug; die Arme hatte er priesterlich vor der Körpermitte verschränkt. Seine Hände verschwanden unter den langen, weiten Ärmeln der Robe.
    Auf dem Kopf trug er einen hohen, sich verjüngenden Hut, der in einer seltsamen, nach vorn weisenden Rolle endete. Der schwarze Stoff seiner Robe glitzerte geheimnisvoll. Bald darauf erkannte Ötzli glänzende, tiefrote Borten an den Säumen und Nähten des Gewandes. Es wirkte wie ein festliches Kleidungsstück, in dem der Träger bewegungslos dastand.
    Es dauerte Minuten, bis Ötzli ihn erreicht hatte. Julian war ihm gefolgt, und auch die sechs Drakken waren bei ihnen geblieben.
    Als sie wie auf einen unhörbaren Befehl gleichzeitig etwa zehn Schritte vor der Gestalt stehen blieben, stellte Ötzli fest, dass der Mann gute zwei Ellen größer war als er selbst und damit wohl sogar den Pontifex noch überragte. Er schluckte hart. Sein Hals schmerzte, denn er war trocken wie Staub. »Seid Ihr...die Stimme?«
    »Richtig«, lautete die Antwort mit leicht verächtlichem Unterton. »Wir kennen uns bereits. Nur war ich früher nicht wirklich anwesend. Jetzt bin ich es.«
    Ötzli hatte nicht erkennen können, dass sich der Mund des Mannes... der Stimme bewegt hätte, aber er war klar und deutlich zu verstehen gewesen.
    Ein Schauer lief ihm den Rücken herab. Er, der die Kunst, andere einzuschüchtern, bis in die feinsten Einzelheiten beherrschte, kämpfte um seine innere Ruhe. Er wusste, was jetzt kommen würde, und er wusste auch, dass er ohne jede Möglichkeit zur Gegenwehr hier stand.
    »Du hast versagt, Lakorta. Du versprachst, mir die Frau bringen, aber ich sehe sie nicht.« Ötzli versuchte sich aufzurichten.
    »Der Pontifex kam mir ins Gehege... ahm... Stimme...«
    »Mein Name ist Amo-Uun. Der Titel Doyen-Zha'oul hat die Bedeutung dessen, was ihr Menschen und Ajhan >Stimme des Pusmoh< nennt.

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