Höhlenwelt-Saga 5 - Die Schwestern des Windes
hoch.
Marius war voller Unruhe und warf Seitenblicke auf die Neuankömmlinge. Rasnor verstand. »Bruder Vandris!«, kommandierte er. »Führe deine Leute nach unten und melde dich bei Magister Jorish. Der wird euch sagen, was zu tun ist. Los, ab mit euch!«
Vandris, offenbar befriedigt, dass er ein Kommando übernehmen durfte, scheuchte seinen Trupp aus dem Zimmer. Als die Tür ins Schloss fiel, trat Rasnor einen Schritt auf Marius zu. »Was ist los?
Warum bist du so aufgeregt?«
»Es… es ist niemand von uns«, sagte Marius nervös. »Ich meine, niemand aus der Bruderschaft.
Aber er hat namentlich nach Euch verlangt, Hoher Meister. Wie kann er wissen, dass wir hier sind?«
Ein leiser Schauer kroch Rasnors Nacken herauf.
»Er hat nach mir persönlich verlangt? Hat er seinen Namen nicht gesagt?«
»Nein, Hoher Meister. Das hat er abgelehnt. Er müsse euch sprechen, sagte er, es sei wichtig. Es ist ein alter Mann – wenn ihr mich fragt, ein Magier der Gilde.«
»Der Gilde? Woher willst du das wissen?«
Marius leistete sich ein schwaches Lächeln. »Aber das ist…« Er verstummte, sein Gesicht wurde grau, und er blickte zu Boden.
Rasnor merkte es natürlich. Er legte den Kopf schief. »Ah, ich verstehe. Du erkennst ihn, weil du selbst einmal ein Cambrier warst, nicht wahr?
Als Novize.«
»Da-davon wisst Ihr?«
»Natürlich. Ich weiß sogar, dass du dich immer noch mit der Elementarmagie beschäftigst.« Mit einer energischen Handbewegung winkte er ab. »Aber das interessiert jetzt nicht! Dieser Mann da unten … bist du dir sicher, dass er von der Gilde stammt?«
Marius zuckte mit den Achseln. »Völlig sicher bin ich mir nicht.
Aber er hat so etwas an sich…«
Rasnor fühlte ein plötzliches Verlangen zu verschwinden – aber er kämpfte es nieder. Das Waisenhaus von Usmar, in dem sie sich hier befanden, galt innerhalb der Bruderschaft als perfekter Deckmantel, und das seit Jahrzehnten.
Einige der Brüder kümmerten sich um die Waisenkinder, während es im hinteren Teil des großen Baus und natürlich auch im Keller verschiedene Räume gab, die von der Bruderschaft genutzt wurden. Zusätzlich stellte das Haus eine hervorragende Möglichkeit dar, Nachwuchs zu rekrutieren. Trotz immer wieder aufkommender Gerüchte war das Waisenhaus jedoch nie ernsthaft in den Ruf geraten, etwas anderes zu sein als eine mildtätige Einrichtung für elternlose Kinder, geführt von ein paar gütigen Mönchen.
»Wo ist er jetzt? Ist er allein?«
»Ja, Meister. Er wartet unten, in der Eingangshalle.«
Rasnor dachte nach. »Kann man ihn von der Balustrade aus sehen?«
Marius blickte sich nachdenklich um, dann nickte er. »Ja, ich denke schon, Hoher Meister.«
Rasnor ging zur Zimmertür. Marius war schneller und öffnete sie für ihn.
Mit leisen Schritten durchquerten sie einen Korridor, passierten den Zugang zum Treppenhaus und verlangsamten ihre Schritte, als rechts das steinerne Geländer der Balustrade sichtbar wurde.
Wortlos schlich Marius voran, schob sich an einer Säule vorbei und peilte vorsichtig hinab. Er nickte Rasnor zu. »Ja, Meister, man kann ihn sehen«, flüsterte er.
Rasnor drängte sich an Marius vorbei und sah selbst hinab.
Später hätte er nicht mehr sagen können, warum er schon im ersten Augenblick gewusst hatte, dass er es war – der Mann, mit dem er nur ein einziges Mal über eine weite, magische Verbindung gesprochen, ihm aber nie ins Angesicht geblickt hatte. Der Mann, der eine Legende war, dem man gewaltige magische Kräfte nachsagte und der, wie Rasnor auch, von seinen eigenen Leuten verstoßen worden war. Er stand unten in der Eingangshalle und wartete.
Altmeister Ötzi!
Rasnor atmete ein wenig auf, wiewohl ein großer Teil seiner Unruhe blieb. Zum Glück hatte er keinen Besuch vom Cambrischen Orden bekommen, wie er es anfangs befürchtet hatte. Was aber dieser Ötzli hier wollte, wusste er nicht. Hatte er abermals vor, ihm den Anspruch auf die Führung der Bruderschaft streitig zu machen? Diesmal würde es ihm schwerlich gelingen, denn Rasnors Rang stand nicht zur Verfügung. Nach dem Tod des uCuluu war er mit seinem Rang als uCetu in die höchste Position unter den Drakken aufgerückt. Mit dieser Macht im Hintergrund konnte er auch die Führerschaft über die Reste der Bruderschaft für sich beanspruchen – und niemand war in der Lage, ihm dies streitig machen.
Er straffte sich und nickte Marius zu. »Ich kenne ihn«, flüsterte er. »Du kannst gehen.« Marius schluckte,
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