Höhlenwelt-Saga 6 - Die Mauer des Schweigens
Wort höhnisch betont.
»Wenn es in diesem so genannten Heiligen Konzil überhaupt einen Mann gibt, der wirklich gläubig ist, dann ist er das.«
Leandra, die immer mehr Einblicke bekam, wie marode das Gefüge der GalFed in Wirklichkeit war, machte sich Sorgen um
Ain:Ain’Qua. Sie mochte ihn sehr und wollte ihn unbedingt gesund wiedersehen. »Denken Sie, Giacomo, dass Sie ihn schützen
können?«
»Das kann er selbst, Leandra, glauben Sie mir. Was ihm aber
fehlt, sind meine Verbindungen. Meine kleinen Tricks, wie ich
schon sagte. Glauben Sie bitte nicht, dass mir diese Dinge Vergnügen bereiten. Ich habe zwar Spaß daran, vermeintlich Unmögliches möglich zu machen und nach Informationen zu spüren,
aber es kommt mir wirklich darauf an, für wen. Für den Heiligen
Vater tue ich es gern, denn er ist ein guter Mann. In diesem intrigenverseuchten Kirchengefüge muss man ein paar Tricks auf Lager haben. Sonst geht man unter. Wenn er in Schwierigkeiten
gerät, werde ich einfach mit ihm gehen.« Leandra schüttelte bedauernd den Kopf. »Ich finde, das ist alles ziemlich bitter. Für
jemanden, der eine Menge Kraft in etwas hineingesteckt hat. Sie
nehmen diesen ganzen Untergang bemerkenswert gelassen hin.«
»Das sieht nur so aus.« Er winkte ab und wandte den Kopf zu
Roscoe. »Ich bin gespannt, was dabei herauskommt, wenn es mir
gelingen sollte, ein Bild dieses Lakorta aufzutreiben. Ein toter
Höhlenwelt-Magier taucht bei uns wieder auf und wird zum mächtigsten Mann der Kirche?« Er stand auf, als Roscoe signalisierte,
dass alles bereit war. Leandra erhob sich ebenfalls und stellte sich
neben das Pult, an das sich Giacomo nun setzte. Auf dem großen
Holoscreen leuchtete der dreigezackte Stern auf, das Symbol der
GalFed, untertitelt von dem Schriftzug >Stellnet<. Während Giacomo seinen RW-Transponder anschloss und dann zu tippen begann, atmete Leandra langsam und tief ein und aus. Sie hatte
bereits einen heißen Verdacht, wer dieser Kardinal Lakorta in
Wahrheit sein mochte. Ötzli. Wenn sie sich recht erinnerte, war
Meister Lakorta sein Schüler gewesen. War Ötzli tatsächlich dieser Kardinal Lakorta, würde das auch erklären, warum er ihr vor
drei Wochen mit den Ordensrittern so heftig auf den Fersen gewesen war.
Zu dritt blickten sie auf den Holoscreen, während Bruder Giacomo, mit fliegenden Fingern tippend, sich mit den Datenquellen
der Hohen Galaktischen Kirche verband und bestimmte Informationsquellen durchsuchte. Eine Weile brauchte er, dann wurde er
fündig. Das Bild eines weißhaarigen Mannes mit kurzem Bart
tauchte auf dem Monitor auf, der in eine feine, purpurfarbene
Robe gewandet war. Leandras Herz begann schneller zu schlagen.
»Ich wusste es«, flüsterte sie. »Mein ganz persönlicher Feind.«
*
Ain:Ain’Qua musste sich erst einmal auf all das einstellen.
Er hatte weiß Gott schon harsche Aufgaben gemeistert, manche
sogar unter extremen, körperlichem Einsatz, was nicht typisch für
einen Papst war. Und Intrigenspiele kannte er reichlich, wiewohl
er selbst nie wissentlich jemanden verleumdet hatte. Aber das,
was ihm nun widerfuhr, überforderte ihn beinahe. Sein Amt war
kompliziert genug, aber dass er sich je einer Anklage der Ketzerei
gegenübersehen würde, hätte er nicht für möglich gehalten. Er
war zutiefst enttäuscht von diesem verlogenen Haufen des Heiligen Konzils. Jeder dieser Würdenträger hätte wissen sollen, dass
er ein aufrechter Mann war, und hätte zugleich diesem dahergelaufenen Lakorta misstrauen sollen. Aber es traf wirklich zu: Hier
war jeder auf seine Besitzstände bedacht. Letztlich war es das
Werk des Pusmoh, dass sich die Heilige Institution der Kirche in
ein solches Tollhaus verwandelt hatte. Der Pusmoh hatte es so
gewollt, denn es nützte seinen Zwecken.
Das ganze Ausmaß dieser Erkenntnis war es nun auch, die ihn
immer näher zu einer Entscheidung trieb, die er vor Wochen noch
als völlig irrsinnig von sich gewiesen hätte: Flucht. Hier war für
ihn nichts mehr zu gewinnen.
Er hatte keine Vorstellung, welche Ti:Ta’Yuh Lakorta ihm da
gegenüberstellen wollte; dass sie tatsächlich noch leben sollte,
erschien ihm unvorstellbar. Es entsprach der Wahrheit: Er hatte
sich damals eine Verfehlung des Keuschheitsgebots erlaubt, war
sogar eine Zeit lang so sehr verliebt gewesen, dass er mit Gedanken gespielt hatte, sein Studium aufzugeben und mit Ti:Ta’Yuh
davonzuziehen, um irgendwo ein Leben jenseits der strengen Regeln des Glaubens zu beginnen. Doch dann
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