Höhlenwelt-Saga 6 - Die Mauer des Schweigens
ertragen.
Die Blicke des Drachen in seinem Nacken, tappte er vorwärts.
Die Schmerzen in den Rippen waren inzwischen erträglich, aber
der Arm tat ihm höllisch weh. Mit Heilmagien hatte er sich nie
beschäftigt, und die Rohe Magie, mit der er als ehemaliger Bruderschaftler zu hantieren gewohnt war, war für solche Zwecke
nicht sonderlich gut geeignet. Nirgends war Linderung für ihn in
Sicht. Ächzend und stöhnend arbeitete er sich voran. Nachdem er
etwa achtzig Schritt weit gegangen war, war er bereit aufzugeben. Ihm standen vor Schmerzen die Tränen in den Augen. Doch
dann dachte er wieder an Meados, der auf ihn herabstarren würde, als wäre er ein Insekt, und hinkte weiter. Endlich rückten die
Säulen in erreichbare Nähe. Er nahm noch einmal alle Kraft zusammen und stapfte voran. Nach langen Minuten hatte er es endlich geschafft. Als er die flachen Treppenstufen erklimmen musste, kam er in Not, aber dann war die erste Säule erreicht, und an
ihrer dem Drachen abgewandten Seite bot sich Ullrik eine schattige Stelle. Am Ende seiner Kräfte angelangt, ließ er sich stöhnend
niedersinken. Endlich konnte er sich ein Aufatmen leisten. Allein
schon das Gefühl, dem Drachen entkommen und nicht mehr seinen Blicken ausgeliefert zu sein, gab ihm neue Kraft. Für eine
Weile saß er schwer atmend da und versuchte sich zu erholen.
Endlich wandte er den Kopf und blickte in den Portalgang. Er erwartete nicht, allzu viel sehen zu können.
Überrascht richtete er sich auf, als er weit hinten im Gang ein
Licht gewahrte, nur schwach zwar und sicher über eine Meile entfernt, aber dennoch vorhanden. Der lange Tunnel schien leicht
aufwärts zu führen.
»Marina!«, brüllte er, so laut er konnte.
»Azrani!« Seine Stimme hallte zwischen den Wänden hin und
her und verlor sich schließlich in der Tiefe des Tunnels.
Stille.
Obwohl er das Vorhandensein des Lichts für ein eher gutes Zeichen hielt, überschwemmte ihn mit einem Mal die Befürchtung,
dass den Mädchen doch etwas zugestoßen sein könnte. Abermals
schrie er ihre Namen und hoffte zugleich, dass Meados es nicht
hörte und am Ende noch hierher kam, um nach dem Rechten zu
sehen. Endlich erhielt er Antwort.
Er hörte seinen Namen, der aus weiter Ferne zu ihm drang. Minuten vergingen, bis er schließlich den Widerhall schneller Schritte vernahm. Aber es war nur ein Paar Füße, die dieses Geräusch
erzeugten, das konnte er deutlich wahrnehmen. Beunruhigt richtete er sich auf und versuchte, die Dunkelheit des Tunnels mit
Blicken zu durchdringen. Überrascht stöhnte er auf, als er sah,
dass eine schwache Lichtaura auf ihn zuwanderte. Die Helligkeit
schien sich vom Gangende gelöst zu haben und kam in seine
Richtung. Nach einiger Zeit endlich erkannte er eine Gestalt, und
bald sah er, dass es sich um Marina handeln musste. Sie rannte
auf ihn zu.
Mühevoll stemmte er sich in die Höhe. Ein Seitenblick hinaus
auf die Ebene sagte ihm, dass Meados ihm nicht gefolgt war.
Kaum stand er einigermaßen sicher, war Marina schon da. Ihre
Augen waren von Tränen gerötet.
Verzweifelt floh sie in den Schutz seiner Arme – oder besser,
den seines linken Arms. Den verletzten rechten stieß sie so sehr
an, dass ihn ein heftiger Schmerz durchfuhr. Beinahe hätte er das
Gleichgewicht verloren.
Marina merkte nichts von alledem. Schluchzend hing sie an ihm
und presste das Gesicht gegen seine Schulter. Er wünschte, er
hätte sie besser in die Arme nehmen können, aber das ging nicht.
Irgendetwas musste Azrani zugestoßen sein. »Sie ist fort, Ullrik«,
schluchzte Marina voller Elend, als sie den Kopf hob. »Oder tot.
Ich weiß es nicht!«
Er wurde bleich. »Tot?«
Marina schüttelte weinend den Kopf. »Ich weiß es nicht.
Wirklich nicht.«
»Beruhige dich«, sagte er sanft und drückte sie an sich.
»Was ist denn geschehen?«
Schniefend wischte sie sich die Tränen mit dem Handrücken
fort. »Wir haben etwas gefunden… so eine Art Mechanismus. Jedenfalls glaubten wir das…« Sie erzählte ihm alles, bis hin zu dem
Moment, da Azrani verschwunden war und sie ganz allein und
verzweifelt vor dem riesigen Kegel gestanden hatte. Stundenlang
hatte sie ausgeharrt, in der Hoffnung, ihre Freundin würde wieder
erscheinen, jedoch vergeblich.
Er nahm ihre Hand. »Hab keine Angst, Marina«, sagte er.
»Dieses Bauwerk hier ist nach allem, was du mir erzählt hast,
ganz gewiss keine Falle für ahnungslose Wanderer. Es hat einen
bestimmten Zweck, aber der liegt gewiss nicht darin,
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