Höhlenwelt-Saga 7 - Die Monde von Jonissar
winkte ab. »Sei froh, dass du das nicht gesehen
hast.«
»Er ist tot? Die Männer haben ihn umgebracht?« Burly lachte
auf. »Die Männer? Nein. Die Frauen von Okaryn waren es. Sie
haben ihm die Augen ausgekratzt und ihn totgetrampelt. Habt ihr
das mitbekommen, was er mit diesem seltsamen Zauberstab anrichten konnte – was er ihnen tagtäglich antat, wenn sie nicht
gehorsam waren, wenn sie seine Gelüste nicht befriedigten?«
Unwillkürlich wandten sich alle Blicke Marina zu. Sie trug noch
immer das weiße Wickeltuch der Frauen von Okaryn, doch an der
Brust war es grau und gelb verfärbt. Unwillkürlich legte sie die
Hand darauf. Ein Schauer durchfuhr sie, und sie zitterte. Azrani
stand sofort auf, ging zu ihr und nahm sie tröstend in den Arm.
»Grauenvolle Schmerzen«, erklärte Burly. »Eine der RelieFrauen hat’s mir erzählt. Stundenlang kannst du kaum atmen.
Dieser Mandalor muss eine Bestie gewesen sein, er hat es sie
andauernd spüren lassen. Friede seiner Asche.« Den letzten Gruß
hatte Burly mit reichlich Spott ausgesprochen und erntete dafür
wiederum beipflichtendes Nicken. »Die Mauer«, erinnerte Ullrik,
an Azrani gewandt. »Du hattest von der Mauer erzählt. Elf Monde,
zwölf Mhorads… und dreizehn Seelenkammern?«
»Ja. Die dreizehnte ist die entscheidende«, erklärte Azrani. »Sie
befindet sich in der Mitte der Mauer und stellte den Kontakt zum
Mhorad Mhor her. Mhor ist die Quelle der Magie dieser Welt.«
»Ja, das sagte auch Meados. Ich möchte nur wissen, warum
dieser Mhorad so stiefmütterlich behandelt wurde. Sie senkten
ihn ins Schwarz hinab…« Azrani lachte auf. »Nein, das stimmt
nicht. Es sieht so aus, aber das taten sie gar nicht. Es geschah
anders herum – sie ließen hier im Tal nur das Schwarz in die Höhe steigen. Ist es euch nicht aufgefallen? Okaryn schwebt zwei
Meilen über dem Tal, ich wette, die anderen Mhorads tun es auch.
Und ebenso der Mhorad Mhor.«
Azrani stand auf und spähte durch das frühe Morgengrauen hindurch in Richtung des titanischen Felsens, der inzwischen zu zwei
Dritteln im Kratersee versunken war. Sie wies mit dem Arm in die
Höhe, die Mhor zur Zeit des Höhepunkts dieses Konflikts erreicht
hatte. »Mhor schwebte, als Meados es wie eine Feder hatte aufsteigen lassen, mit der untersten Spitze sicher vier Meilen über
dem Boden des Tals.«
Alle hatten sich herumgedreht und starrten hinauf. Was Azrani
sagte, war von jedem leicht nachzuvollziehen. »Du meinst, Mhor
schwebte immer auf der richtigen Höhe und wurde erst später
von dem Schwarzen Nichts überdeckt? Aber warum?«
»Genau weiß ich es nicht, aber ich glaube, ich kann es euch
bald zeigen. Gebt mir noch eine halbe Stunde, ja?«
Ihre Miene spiegelte heimliches Vergnügen; die anderen tauschten augenzwinkernd Blicke. Im Stillen kam man überein, Azrani
diesen kleinen Triumph zu gönnen, was auch immer sie ihnen
zeigen wollte.
»Doch wie habt ihr es nun geschafft, das magische Netz der
Monde aufzulösen?«, fragte Ullrik.
»Das hängt mit der dreizehnten Kammer zusammen«, erklärte
Azrani und setzte sich wieder. »Marina kam auf die Idee.
Ich hatte ihr von dem Angriff des Malachista auf Xahoor erzählt.
Wir hatten damit gerechnet, ihn in einer der Seelenkammern zu
finden oder irgendwo sonst an oder in der Mauer. Doch da war
nichts. Nur einen toten Sonnendrachen fanden wir, am Fuß der
Mauer.«
Ullrik und Laura tauschten Blicke.
»Marina meinte, er müsse der Malachista sein, der Okaryn angegriffen hatte. Er war im Kopf- und Halsbereich übel zugerichtet,
von einer Magie offenbar, und das passte zu dem, was du ihm in
Xahoor entgegengeschleudert hattest, Ullrik. Malachista sind ja
auch nur Transformationen der Sonnendrachen.«
»Wirklich? Dann war also auch die dreizehnte Kammer leer?«
»Eben nicht. Ein Malachista schwebte dort, fast völlig zu Eis erstarrt, wie die anderen in den zwölf übrigen Kammern. Aber eben
nicht ganz. Es war zu sehen, dass er noch nicht lange in dieser
Kammer war. Und der getötete Sonnendrache war nicht an seiner
Kopfverletzung gestorben.« Sie schüttelte energisch den Kopf.
»Nein, sein Hals war durchbissen.« Sie verschränkte die Arme vor
der Brust und sah Ullrik an. »Ist es nicht so, dass zwei Sonnendrachen von Okaryn flohen? Meados und noch ein anderer, den
wir später nie wieder sahen?«
»Ja! Das stimmt! Es waren zwei!«
Azrani nickte. »Dann kann es nur so gewesen sein, dass der getötete Sonnendrache jener Malachista war, der zuvor in
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