Höhlenwelt-Saga 7 - Die Monde von Jonissar
schmerzenden Nacken und musterte die Männer der Reihe
nach, die ihrerseits durch die Ritzen peilten. An ihrer Körperhaltung, die Vorsicht signalisierte, konnte er ablesen, dass sie sich
zumindest ziemlich wunderten, was ihnen da widerfahren war,
und nun sehr wachsam waren.
Ullrik atmete langsam und tief, seine Gedanken waren in Bewegung. Was sollte er nun tun? Aus der Hütte ausbrechen und am
Ende einen Pfeil in die Brust riskieren? Er war überzeugt, sich
gegen sie behaupten zu können, jetzt, da er gewarnt war. Wie
Krieger wirkten sie nicht, aber sie waren immerhin bereit, Gewalt
anzuwenden, und es mochte Verletzte oder gar Tote geben, wenn
er sich offen gegen sie wandte. Außerdem war er ganz allein.
Wenn er sich auf einen Krieg gegen sie einließ, mochte das damit
enden, dass entweder er alle töten musste oder sie ihn. Eine ausgesprochen widerwärtige Aussicht, auch wenn er reichlich wütend
auf dieses Volk von offenbar fanatischen Schwachköpfen war.
Welch eine dumme Situation! Tirao würde ihn vermissen, aber
sein Drachenfreund konnte nicht viel für ihn tun, da er selbst gegen eine Übermacht stand: Meados und seine unbekannten Kumpane.
Ullrik schnaufte. Offenbar hatte er mit seiner Beschreibung eines weiblichen Körpers die Wut der Leute heraufbeschworen – so
arg, dass sie ihn ansatzlos angegriffen hatten. Und der kleine Tim
hatte sogar geweint. Dabei war es doch nur eine Frage gewesen!
Eine Geste, in Ermangelung eines Wortes für Frau. Er stöhnte.
Draußen wurden wieder Worte hörbar, ein Mann eilte davon und
kam bald mit mehreren anderen zurück. Es wurden lautere Worte
gewechselt, direkt vor dem Eingang der Hütte; Ullrik spitzte die
Ohren, doch er konnte kein Wort verstehen. Auch die Mundart
war ihm fremd, er hätte Schwierigkeiten gehabt, die Worte nachzusprechen. Eins jedoch war unüberhörbar: Auch untereinander
ließen diese verdammten Kerle keinen Hauch von Freundlichkeit
aufkommen. Sie brummten sich nur unwirsch an. In einem plötzlichen Aufwallen von Zorn stemmte Ullrik sich in die Höhe: »Lasst
mich sofort hier raus, ihr Drecksäcke!«, brüllte er. »Sonst könnt
ihr was erleben! Ich mach euer dreimal verfluchtes Dorf dem Erdboden gleich!«
Die Vorstellung dessen, was er da gesagt hatte, erschreckte ihn
und ließ ihn wieder verstummen. Er hätte es tatsächlich gekonnt.
Mit einer Magie diese primitiven Holzhäuser zu entzünden wäre
kein großes Problem für ihn; sicher brannten sie wie Zunder, so
trocken musste das Holz bei diesem Klima sein. Er hatte einen
Kreuzdrachen getötet, eine mörderische Bestie, die allein ein Dorf
wie dieses hier in Minuten hätte auslöschen können. Ja, er war
ein mächtiger Magier, und diese Dummköpfe hatten keine Chance
gegen ihn, sollte er die Geduld verlieren. Er atmete tief durch.
Nein, das durfte nicht sein. Nur im äußersten Notfall würde er
sich mittels Magie befreien. Und keinesfalls würde er jemanden
umbringen, wenn er nicht um sein eigenes Leben fürchten müsste. Er würde einen anderen Weg finden.
Mit einem ärgerlichen Brummen setzte er sich wieder auf den
Boden. Die Handfesseln jedoch, beschloss er, würde er nicht länger hinnehmen. Er konzentrierte sich kurz, öffnete das Trivocum
und suchte in den Energien, die sofort ins Diesseits flössen, nach
den typischen zersetzenden Kräften des Stygiums, den Energien
des Chaos, die alles Lebende und sich Fortentwickelnde in der
Sphäre der Ordnung zu zerstören suchten. Es war die natürliche
Ordnung des Kosmos, dass diese Kräfte nach Dingen suchten, die
sie verzehren konnten, denn alles, was entstand, verging auch
wieder. Ullrik war als ausgebildeter Magier in der Lage, diese
Energien zu lenken und ihr Wirken zu beschleunigen. Er spürte
den grauen Faden einer stygischen Kraft auf und lenkte sie mit
seinem Willen auf seine Handfessel. Der Erfolg wurde schnell
spürbar; er hörte ein leises Knistern und Reißen, wie von einem
alten, faserigen Stück Stoff, das unter Kraftaufwand langsam zerriss. Es wurde um die Stelle herum unangenehm heiß und
schmerzte, aber nach wenigen Augenblicken konnte er die Magie
schon wieder versiegen lassen und den Rest mit der Kraft seiner
Arme erledigen. Die Fessel zerriss, und er war frei.
Kaum hatte er das vollbracht, wurde die Tür der Hütte entriegelt
und aufgerissen. Ein großer, muskulöser Mann mittleren Alters,
mit nacktem Oberkörper, Glatze und schwarzem Vollbart, trat
herein, stemmte fordernd die Fäuste in die Hüften und
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