Hölle mit Vollpension
?« fragte ich.
»Jemand hat uns das Boot weggeschnappt !«
»Crespin erwähnte gestern, daß er ins Dorf müsse und erst am Nachmittag zurückkäme .«
»Also er war’s !« Verärgert zuckte sie die Schultern. »Na ja, es gibt immer noch das Kanu .« Sie ging zur äußersten Spitze des Landestegs und sah aufs Wasser nieder. »Das hat wenigstens keiner geklaut .«
Ich holte sie ein und sah das primitive Fahrzeug sanft zu unseren Füßen schaukeln. Es war schmal und hatte lediglich zwei hölzerne Sitze. Ich half Pamela hinein und kletterte ihr nach.
»Gibt’s keine Paddel oder Ruder oder so was ähnliches ?« erkundigte ich mich.
»Man benutzt das hier .« Sie deutete auf eine Holzstange im Boot, die etwa acht Fuß lang war. »Der Fluß ist hier nicht sehr tief .«
»Und was macht man mit dem Stock ?« erkundigte ich mich. »Den Fluß bis zur völligen Unterwerfung prügeln ?«
Kichernd schüttelte sie den Kopf. »Man steht im Heck und stößt sich mit der Stange vom Grund ab. Wenn man erst den Dreh ’raus hat, ist es ganz einfach .«
Sie setzte sich, schlug vorsichtig die Beine übereinander und lächelte mich vertrauensvoll an. Ich band das Kanu los, nahm die Stange auf und stellte mich damit in Positur. Beim ersten Versuch wäre sie mir fast davongeschwommen, aber beim vierten fand ich endlich Grund und schaffte es auch, uns ein paar Fuß weiter zu drücken.
»Gut gemacht !« lobte Pamela.
Nach etwa zehn Minuten beherrschte ich die Technik so weit, daß ich das Boot wenigstens annähernd in die gewünschte Richtung fortbewegen konnte. Nach und nach begann ich den Ausflug zu genießen, den funkelnden Fluß, die malerische Inselansicht und den Anblick von Pamelas glatten, goldbraunen Beinen. Der Tag war von der besonderen Art, wie es ihn nur in England gibt, zum Ausgleich für das miserable Klima.
»Jetzt sind wir auf der anderen Inselseite«, sagte Pamela plötzlich. »Warum drehst du nicht bei, Larry, damit wir dort unter den Weiden anlegen können ?«
»Okay«, nickte ich. »Wetten, daß ich es mit nur zwei Stößen bis zum Ufer schaffe?«
Ich ließ alle Muskeln spielen, rammte die Stange mit voller Kraft ins etwa fünf Fuß tiefe Wasser bis zum Grund — aber sie sank tief in Schlamm ein. Ich hatte das obere Ende mit beiden Fäusten gepackt, und legte mein ganzes Gewicht in den nächsten Stoß. Das Kanu schoß vorwärts wie vom Katapult geschossen, und im nächsten Augenblick sah ich meine Füße, immer noch gegen die Bootshaut gestemmt, unter mir vorbeigleiten. Die Hände fest um die Stange geklammert, geriet ich in eine immer halsbrecherische Schräglage. Pamela sprang auf und schrie: »Larry, laß die Stange los !«
Das tat ich und fiel kopfüber ins Wasser.
Bis ich wieder an die Oberfläche kam und festen Grund fand, hatte sich das Kanu schon zehn Meter entfernt und glitt langsam aufs Ufer zu. Pamela stand noch immer aufrecht und sah zu mir herüber, aber jetzt schüttelte sie sich vor Lachen. Wasser geriet mir in die Augen, und als ich wieder sehen konnte, bemerkte ich, daß das Kanu dem Ufer schon bedenklich nahe war.
»He, Pamela !« rief ich.
»Tut mir leid«, schrie sie zwischen zwei Lachanfällen zurück, »aber du siehst zu komisch aus! Mach’ bloß den Mund gut zu, Larry !«
Jetzt konnte sie nicht mehr behaupten, ich hätte nicht versucht, sie zu warnen; mit wachsender Genugtuung beobachtete ich, wie ein hervorstehender Ast hinter ihr über die Bordwand glitt und sie voll in die Kniekehlen traf. Sie stieß ein erschrecktes Kreischen aus und vollführte eine Art Kriegstanz — im Versuch, die Balance zu wahren. Dann kippte das Boot plötzlich um, und Pamela fand nur noch Zeit für einen zweiten entsetzten Aufschrei, dann verschwand sie im Wasser.
Die Stange trieb an mir vorbei, deshalb packte ich sie und watete zum Ufer. Dort richtete ich das Boot wieder auf, band es an den hinterhältigen Ast und warf die Stange hinein, ehe ich aufs Trockene kletterte. Im Gras stand eine bibbernde Blondine, das Haar fest an den Skalp geklebt, mit zusehends einlaufendem Kleidchen, auf dem sich die ertrinkenden Schmetterlinge verzweifelt gegen die erreichbaren Vorsprünge preßten.
»Du mußt es kommen gesehen haben«, sagte Pamela mit mörderischer Ruhe. »Warum hast du mich nicht gewarnt ?«
»Hab’s versucht«, erwiderte ich vergnügt. »Aber du hast mir doch befohlen, den Mund zuzumachen, weißt du noch ?«
»Aber nur, um dir zu helfen !« knirschte sie. »Hättest du nur dein Gesicht
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