Hölle unter Null Grad
drehen. Ich mußte mich krampfhaft festhalten.
Haefert meinte seelenruhig:
»Nichts zu machen, Satcher. Der Riesensee ist laufend in turbulenter Bewegung. An verschiedenen Stellen bilden sich gewaltige Strudel – vermutlich dort, wo die Zuflüsse liegen. Die haben wir nämlich noch nicht gefunden. Ich mochte aber nicht der Mann sein, der mit einem Boot zu nahe an die Teufelsschlünde herangeht. Der See ist auf dem Grund noch immer vier Meilen Breit. Oben hat er sechs Meilen Durchmesser. Seemeilen, meine ich. Allerhand, nicht wahr? Hätten Sie das vermutet?«
Ich schüttelte stumm den Kopf und blickte auf die Bildflächen, auf denen nur strudelndes Wasser zu sehen war. Wir schossen genau im Mittelpunkt des Trichters nach oben. Es waren etwas mehr als tausend Meter, die wir mit stark angeblasenen Tauchtanks senkrecht zurücklegten. Der Radar-Breitstrahltaster reichte nicht aus, um die umliegenden Felswände zu erfassen.
Übergangslos wurde es hell. Ich fiel völlig unvorbereitet auf den Rücken. Hannibal erging es nicht besser. Das Boot war durch den starken Auftrieb aus dem Wasser geschleudert worden. Wie ein Stück Holz war es hochgekommen und anschließend zurückgefallen.
Ich fluchte und löste mit meiner Reaktion bei Haefert ein schadenfrohes lachen, aus.
»So, meine Herren, da wären wir. Das Werk erwartet Sie.«
Ich zuckte unwillkürlich zusammen und hoffte nur, daß er es nicht richtig auslegte.
Das Werk! Da war wieder diese Bezeichnung, die mir schon schlaflose Nächte bereitet hatte, als ich noch im GWA-Hauptquartier in meinen komfortablen Räumen saß.
Das »Werk«! Welches Werk?
9.
Ich sah strahlende Leuchtröhren, blinkende Bojen und wallendes Wasser. Weit über mir, schätzungsweise fünfhundert Meter höher, mußte etwas sein, das man vielleicht als »Decke« hätte bezeichnen können. Dort oben hingen riesige UV-Strahler, die wahrscheinlich das Sonnenlicht ersetzen sollten.
Der gigantische Felsdom war hell erleuchtet. Das Licht spiegelte sich auf den warmen Fluten eines Sees, der nur deshalb unterirdisch war, weil sich hoch über ihm ein mächtiges Inland-Gebirge erhob. Genau betrachtet befand sich der Seespiegel auf gleicher Höhe mit der Meeresoberfläche. Das war ein physikalisches Gesetz.
Eine Seite dieser durch vulkanische Gewalten entstandenen Gesteinsblase war im Laufe von zehn Jahren zu einem derart vollkommenen U-Boot-Hafen ausgebaut worden, daß ich nur staunen konnte.
»Ich werde verrückt«, murmelte Hannibal, der dicht neben mir auf dem Turm des Kreuzers stand.
Ich sah vorbildliche Kais mit modernen Verladeeinrichtungen. Weiter hinten standen langgestreckte Gebäude aus stumpfglänzendem Kunststoff.
Der Hafen beherbergte zur Zeit etwa zwanzig mittelgroße und schwere Boote an den mit erleuchteten Nummern versehenen Kais. Es war eine Stadt unter dem ewigen Eis der Antarktis. Wir hatten nur durch einen Zufall davon erfahren.
Wir wurden von einem starken Turbinenschlepper an Kai 18 bugsiert und dort vertäut. Eine Laufbrücke schob sich zur Turmplattform herüber, aber ich war noch nicht fähig, an Land zu gehen.
Der Eindruck war zu überwältigend. Alles hatte ich erwartet, nicht aber derart großartige Einrichtungen.
In dem Felsdom schien die Luft zu kochen. Die Hitze stieg nicht nur aus dem Wasser auf, sondern drang auch aus den Felswänden. Die Temperatur lag bei plus 41 Grad Celsius. Das genügte, um mir den Schweiß aus den Poren zu treiben.
Die auf den Kais beschäftigten Leute trugen dünne Sommerkleidung. Teilweise liefen sie mit nacktem Oberkörper herum. Das erschien mir nun nicht mehr verwunderlich. Ich hatte geglaubt, in eine Hölle unter Null Grad zu reisen,
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