Hölle unter Null Grad
ja kaum für die Zufahrtsstraßen und die langgestreckten Schuppen.«
»Das sind nur Lagerhallen«, erklärte Haefert. »Dort hinten, wo die Straße eine Biegung macht, beginnt eine andere Gesteinsblase. Ihr Boden liegt etwa zehn Meter höher. Der Hohlraum ist zwar nicht so groß wie der See-Dom, aber es geht allerhand hinein. Dort befinden sich die Wohnbauten.«
Hannibal achtete nicht auf uns. Er unterhielt sich noch immer mit den beiden Posten, die völlig arglos zu sein schienen. Ihre instinktive Scheu vor dem Mutanten schien sich etwas gelegt zu haben.
Ich lauschte auf das dumpfe Donnern, das ununterbrochen durch die Halle dröhnte. Gelegentlich wurde es von grollenden Geräuschen abgelöst. Es hörte sich an, als liefen schwere Maschinen in einem gleichmäßigen Arbeitstakt.
»Was ist das?« fragte ich beiläufig, »Die Kraftstation? Die kann doch nicht einen solchen Lärm machen.«
Sein Blick war stechend und argwöhnisch. Das gefiel mir nicht. Diese Leute schienen ein ausgeprägtes Mißtrauen zu haben.
»Das werden Sie noch erfahren. Ich bin nicht befugt, darüber zu sprechen.«
Hannibal grinste ihn breit an. Ich musterte ihn ironisch. Seine Worte überzeugten mich, daß sich das sogenannte Werk in unmittelbarer Nähe befand. Das ferne Dröhnen und Donnern hörte sich so an, als arbeitete man mit schweren Maschinen tief in den Felswänden.
»Wie Sie wollen, Haefert. Ich werde nicht mehr fragen. Weshalb sind Sie eigentlich so zurückhaltend? Sie haben uns doch in Ihrer Gewalt.«
»Da haben Sie allerdings recht«, stimmte er zu. »Mit mir hat man es aber nicht anders gemacht. Ich bin seit zwei Jahren hier. In der Zeit habe ich viel erlebt. Aufpassen, da vorn.«
Die letzten Worte schrie er von dem Turm hinunter aufs Vorschiff, wo sich an den ausgefahrenen Ladeschacht eine breite Landebrücke herangeschoben hatte. Auf dem langen Betonkai tauchten bewaffnete Männer auf, und mindestens zehn Lastwagen kamen hinter einem Schuppen hervor.
Erschüttert verfolgte ich die Szene, die sich unmittelbar vor meinen Augen abspielte. Unter den Drohungen der Besatzungsangehörigen taumelten und krochen Menschen aus dem erleuchteten Schacht. Es waren abgezehrte Gestalten, deren Kleidung nur noch aus Fetzen bestanden.
Manzo stieß einige Laute aus, die mir bewiesen, was der Mutant bei diesem Anblick dachte. Ich sah wieder das große Straflager in China vor mir. Die Menschen, die ich damals dort gesehen hatte, waren in dem gleichen Zustand gewesen.
Auch hier handelte es sich zweifellos um Strafgefangene, die man mit dem großen U-Kreuzer in diese unterirdische Hölle gebracht hatte. Ich sah Angehörige aller asiatischen Völker und Altersstufen.
Teilnahmslos schwankten sie über den Laufsteg, bis sie drüben auf die offenen Pritschen der Lastwagen getrieben wurden. Die Behandlung war brutal. Die Bilder erinnerten mich an meine Erlebnisse im tiefsten Ostasien. Sogar Frauen waren darunter, aber darauf hatte man noch niemals Rücksicht genommen.
Haefert sah mich einmal von der Seite her an. Ich zog es jedoch vor, ein möglichst starres Gesicht zu zeigen und keine Bemerkung zu machen. Allerdings wurde mir in dem Augenblick klar, daß wir uns selbst in einer Mausefalle eingesperrt hatten. Die atomare Vernichtungswaffen in Manzos Höcker konnten niemals angewendet werden, da es hier nicht nur kaltblütige Verbrecher, sondern höchstwahrscheinlich Tausende von unschuldigen Opfern eine gnadenlosen Justiz gab.
Ich konnte mir vorstellen, was mit den vierzigtausend verschwundenen Strafgefangenen geschehen war. In dieser fürchtet liehen, feuchtigkeitsgeschwängerten Luft konnte ein ohnehin
Weitere Kostenlose Bücher