Höllen-Mädchen
Jordan Ivy endlich seine traurige Geschichte einer häßlichen Lüge erzählen. Eine Geschichte von Schwertern und Zauberei, von Gut und Böse, Intrigen, Verrat und Seitensprüngen. Ivy war natürlich begeistert, obwohl einige besonders heikle Stellen gestrichen worden waren. Als die Geschichte zu Ende war, gelang es Ivy, Jordan und dessen Geliebte Threnody, eine Halbdämonin, wieder zum Leben zu erwecken. Alle waren glücklich, nur Stanley Dampfer nicht, Ivys kleiner Hausdrache, der durch einen schlecht angewandten Zauber versehentlich verbannt worden war.
Das führte natürlich zu neuem Unheil. Ivy wollte nämlich ihren kleinen Bruder Dolph, den Gestaltwandler, losschicken, den Drachen zu suchen. Dolph war damals erst drei Jahre alt. Grundy Golem, der das um jeden Preis verhindern wollte, bot sich ungewöhnlicherweise selbst an, auf die Suche zu gehen. Natürlich kam er als erstes zu mir, um eine Antwort zu erbitten.
Ich trug ihm auf, das Ungeheuer unter dem Bett zum Elfenbeinturm zu reiten, denn natürlich wußte ich längst Bescheid. Grundy Golem hingegen hatte keine Ahnung, daß sich im Elfenbeinturm das Mädchen Rapunzel befand, die Brieffreundin von Ivy. Sie war ein Kind der Elfe Glockenblume und Jordan dem Gespenst aus der Zeit seines Barbarenabenteuers. Glockenblume hatte für ihr außergewöhnliches Stelldichein einen Angleichungszauber benutzt. Die Folge war, daß Rapunzel ihre Größe beliebig ändern und ganz nach Wunsch die Statur einer Elfe oder eines Menschen sowie aller Größen dazwischen annehmen konnte. Ihre eigentliche Magie lag jedoch in der märchenhaften Länge ihres Haares. Da es nicht mehr genügend weibliche Golems gab, war es Rapunzel bestimmt, Grundys ganz große Liebe zu werden. Grundy war ohnehin kein echter Golem mehr, seit er wirklich geworden war. Natürlich machte ich mir nicht die Mühe, ihm das alles zu erzählen. Er hatte schließlich nicht danach gefragt. Jedenfalls schaffte er es, Stanley Dampfer vor einem Schicksal zu bewahren, das nicht viel besser gewesen wäre als der Tod. Er brachte ihn zu Ivy zurück.
Darüber hinaus gab Grundy mir einen Rat, der mein Leben noch einmal veränderte. Er brachte mich auf die Idee, Umkehrholz und Jugendelixier zusammen zu gebrauchen, so daß ich augenblicklich jedes gewünschte Alter erreichen konnte. Warum war ich nicht selbst darauf gekommen? So war es für mich kein Problem mehr, wieder einhundert Jahre alt zu werden – oder vielleicht auch ein paar Jährchen jünger –, sehr zur Freude der Gorgone. Danach lebten wir drei Jahre lang glücklich und zufrieden.
Inzwischen schrieben wir das Jahr 1080. Das Vergessenselixier, das ich im Jahre 1000 zu mir genommen hatte, verlor seine Wirkung, und ich erinnerte mich plötzlich an Rose von Roogna. Natürlich brach ich unverzüglich auf, und da meine Frau und mein Sohn darauf bestanden, mich zu begleiten, lag unser Schloß bald einsam und verlassen da.
Dieses Kapitel aber handelt von Ivy und davon, wie unsere Wege sich kreuzten. So will ich diesen Teil der Erzählung beenden, ehe ich mit meinen persönlicheren Angelegenheiten fortfahre.
Mein Urenkel, Eskil Oger, traf auf die Unheilbringendste aller Dämonen, die Dämonin Metria. Scheinbar suchte sie einen passenden und bequemen Platz, um sich auszuruhen. Weit entfernt von den Summern, die ihre heimatlichen Gefilde überschwemmt hatten, wollte sie Esks persönlichen Zufluchtsort übernehmen. Vielleicht fühlte sie sich zu seiner Familie hingezogen, da sie vor zwei Generationen die Ersatzmutter seines Großvaters gewesen war. Esk wiederum beschloß, mich aufzusuchen und in dieser Angelegenheit meinen Rat einzuholen.
Da Chex Zentaur, der geflügelte Nachwuchs von Chem und dem Hippogryph Xap, nicht flugfähig war, kam sie zu mir, um mich zu fragen, wie man es machte. Sie war damals erst sieben Jahre alt, aber dank ihres hippogryphen Elternteils war sie schnell gereift und nun eine junge Erwachsene. Selbst die Jüngste der Zentauren war ungewöhnlich intelligent, gebildet und ausgeglichen. Das sollte sich später für Chex noch als hilfreich erweisen. Auf dem Weg zu meinem Schloß traf sie Esk.
Schließlich gesellte sich auch noch Volney Wühlmaus aus der Gegend des Küßmichflusses ihnen zu. Sie wollte wissen, wie der früher kurvenreiche und freundliche Fluß wieder in seinen ursprünglichen Zustand zurückversetzt werden konnte. Einst hatte das Zornkorps der Dämonen den Fluß nämlich begradigt. Nun kannte man ihn nur noch als
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