Höllen-Mädchen
kümmern.«
»Natürlich tun sie das«, pflichtete die Gorgone ihr aufrichtig bei. »Irgendwann werden sie auch für dich etwas finden und dich dann aufwecken. Gehörst du zu denen, die in den Särgen auf der Insel der Illusion liegen?«
»Ja. Wir alle sind hier, weil wir auf der wirklichen Welt von Xanth ein Problem haben. Electra ist schon länger hier als jede andere.«
Die Gorgone sprach Electra an: »Stimmt das? Wie lange schläfst du schon?«
»So ungefähr achthundertundfünzig Jahre. Ich bin müde geworden, die ach so vielen Jahre zu zählen, und warte nur noch darauf, daß ein Prinz kommt und mich wachküßt.«
»Ein Prinz!« Die Gorgone führte dieses Thema lieber nicht weiter aus. Sie erinnerte sich, daß es in Xanth zur Zeit nur einen einzigen Prinzen gab. Doch der war gerade erst sechs Jahre alt. Sie wandte sich Wira zu. »Und wie lange schläfst du schon, meine Liebe?«
»Zwölf Jahre.«
Hugo starrte sie enttäuscht an. Er hatte geglaubt, sie wäre in seinem Alter. Nun stellte sich heraus, daß sie zwölf Jahre älter war.
Die Gorgone verstand die Gefühle ihres Sohnes. »Aber du alterst nicht, während du schläfst«, fuhr sie schnell fort.
»Doch, ich werde älter«, entgegnete Wira. »Meine Angehörigen konnten sich nur einen billigen Schlaftrunk leisten. Er versetzte mich in Schlaf und bewahrt meinen Körper vor der Verwesung, aber er hält den Alterungsprozeß nicht auf. Wenn ich jetzt aufwache, bin ich achtundzwanzig Jahre alt. Ich fürchte, daß meine Verwandten nichts für mich finden werden…«
»Das ist nicht so schlimm«, tröstete die Gorgone sie.
»Aber Mutter…«, begann Hugo aufgebracht. Ganz offensichtlich gefiel ihm dieses Mädchen. Aber eine achtundzwanzigjährige Frau, das war schon etwas anderes.
»Erinnerst du dich an das seltsame Mittel, das dein Vater hergestellt hat?« fragte die Gorgone. Sein Gesicht hellte sich auf. Sie spielte auf das Elixier aus dem Jungborn an. Es konnte jemanden innerhalb kürzester Zeit um Jahre verjüngen. Wenn Wira erwachte, könnte sie also wieder sechzehn Jahre alt werden, falls Hugo das wollte. »Warum gehst du nicht mit der jungen Frau im Garten spazieren? Vielleicht entdeckt ihr Gemeinsamkeiten?«
Hugo war nicht der hellste Kopf in Xanth, es sei denn, Prinzessin Ivy verhalf ihm dazu. Jetzt aber malte er sich bereits in Gedanken die Anwesenheit der schönen jungen Frau in unserem Schloß aus. Ihr machte es nichts aus, von der Gorgone zufällig angeblickt zu werden, und vielleicht würde sie ihn sogar ansprechend finden. »Ja, laß uns den Garten ansehen«, stimmte er zu. Er bemerkte, daß er sich schon wieder etwas ungeschickt ausgedrückt hatte. »Äh, nicht sehen, ich meine…«
»Das ist schon in Ordnung, Hugo«, beruhigte Wira. »Ja, laß ihn uns anschauen, ich werde ihn auf meine Weise sehen.«
»Du kannst sehen? Aber…«
»Durch die Berührung«, erklärte sie. »Gib mir deinen Arm.«
Unbeholfen hielt er ihr seinen Arm hin. Sie hörte auf das Rascheln der Kleidung und hakte sich unter. So führte sie ihn den Weg hinunter. Sie gingen durch das Gehege und mitten durch Farne und Blumen.
»Glaubst du, daß ich vielleicht einen Hirsch streicheln könnte?« fragte er.
»Sicher, Hugo, wenn du möchtest. Ich werde es dir zeigen. Aber du mußt geduldig sein, weil sie sehr zurückhaltend und scheu sind.«
Die Gorgone sah ihnen nach. »Ach, was sind sie doch für ein schönes Paar«, seufzte sie.
»Ja, sie ist ein sehr schönes Mädchen«, stimmte Electra zu, die neben ihr stand. Die Gorgone schreckte auf, denn sie hatte Electras Anwesenheit völlig vergessen.
Jetzt wandte die Gorgone sich wieder Electra zu. »Du hast gesagt, du müßtest schlafen, bis ein Prinz kommt. Bist du denn eine Prinzessin?«
»Nein! Ich bin mehr so etwas wie ein Zufall.«
»Oh! Erzähle mir davon.«
Und so berichtete Electra über ihr verwickeltes Schicksal. Der Fluch des Magiers Murphy hatte bewirkt, daß sie in einen langen Schlaf verfallen war, der eigentlich einer Prinzessin zugedacht war. Electras Sarg befand sich auf der anderen Seite Xanths auf der Insel der Liebe. Sie war hierher gekommen, um sich den anderen im Traum anzuschließen, denn es war ganz schön langweilig, alleine zu sein. Sie mußte auf einen Prinzen warten, der kommen, sie wachküssen und heiraten würde, oder sie mußte sterben. Das aber war aussichtslos, weil sie ja erst zwölf Jahre alt war, aussah wie zehn und zudem noch nicht einmal eine Prinzessin war. Aber sie wollte die
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