Höllen-Mädchen
Rauch auflöste. Ich nahm ihren betörenden Duft wahr, als der Nebel an mir vorbeistrich. In einiger Entfernung erschien sie erneut in ihrer menschlichen Gestalt. »Die Tür hat es in sich!«
Ich wußte, wie sie fühlte, doch mich beschäftigte etwas anderes. »Der Schlüssel… wie konntest du ihn benutzen? Er befand sich doch auf dieser Seite!«
»Nein, ich habe ihn vom Haken auf der anderen Seite genommen«, erwiderte sie. »Es wird wohl zwei Schlüssel geben.«
»Aber dann ist MähreAnne ja jetzt allein mit Metria«, durchfuhr es mich siedendheiß.
»Metria fügt Leuten keine körperlichen Schmerzen zu. Sie tut es nur verbal oder mit Illusionen. Wahrscheinlich ist ihr die ganze Angelegenheit längst viel zu langweilig.« Dana schaute sich um. »Merkwürdig, daß wir nicht durch diese Dickichtwand gehen können. Normalerweise sind feste Gegenstände für Dämonen kein Hindernis. Es muß sich um einen besonderen Zauber handeln, der das Gebüsch zu einer dämonensicheren Schneise macht.«
Plötzlich stolperte MähreAnne herein. Ich fing sie auf, bevor sie fallen konnte. »Es war…«, begann sie.
»Ich versteh dich schon«, unterbrach ich sie.
Wir mußten jetzt erst einmal feststellen, wo wir uns überhaupt befanden. Hoch über unseren Köpfen bildete ein Gewirr von Ästen eine gewaltige Kuppel, die keine direkten Sonnenstrahlen durchließ, das Licht aber auch nicht völlig ausschloß. Wie ein glitzerndes Netz waberte es in Wellen und berührte den Boden. Hier wuchsen Orangenbeersträucher, die voller dicker Früchte hingen.
»Welch ein wundervoller Ort!« rief MähreAnne aus. »Laßt uns noch einige Beeren essen, bevor wir aufbrechen.«
Wir gingen zu den Büschen hinüber, pflückten und aßen von den Früchten. Auch Dana bediente sich. »Ich habe gar nicht gewußt, daß essen so viel Spaß machen kann. Eigentlich brauche ich gar keine Nahrungsaufnahme, deshalb sollte ich die Früchte wohl besser nicht verschwenden.«
»Was geschieht denn mit dem, das du ißt?« fragte ich und bewies damit wieder meine Neugier.
»Solange ich einen festen Körper habe, behalte ich es in mir. Doch wenn ich mich auflöse… «, ihre Gestalt wurde schemenhaft, »fällt alles heraus.« Und tatsächlich fiel ein Häufchen durchgekauter Beeren zu Boden.
Wir pflückten und aßen gierig. Die Früchte waren vorzüglich. Plötzlich schrie MähreAnne auf.
»Was ist los?« wollte ich wissen und rannte an ihre Seite. Sie zeigte in eine Richtung. Halb verborgen und unter den Büschen lag eine Ansammlung von Knochen.
Dana gesellte sich zu uns. »Oh«, rief sie aus. »Das sind Menschenknochen. Jetzt wissen wir, was mit den drei Dorfbewohnern geschehen ist. Sie sind hier gestorben.«
»Ob die Beeren giftig sind?« fragte ich aus verständlichem Grunde alarmiert.
»Nicht daß ich wüßte«, antwortete Dana gelassen. »Wir Dämonen kennen uns ziemlich gut mit Giften aus. Ich habe keines bemerkt.«
»Woran können sie dann gestorben sein?« fragte MähreAnne zitternd.
»Vielleicht gibt es hier einen Oger«, murmelte ich und sah mich sehr viel nervöser um als zuvor.
»Laß uns hier verschwinden«, drängte MähreAnne.
Wir drehten uns zum Tor um. Doch zwischen uns und dem Ausgang stand eine Meute furchterregender Bestien, die ungefähr halb so groß wie Menschen waren. Sie sahen wie riesige Spinnen mit Wolfsköpfen aus.
»Wolfsspinnen!« stieß Dana hervor. »Mir können sie nichts anhaben, aber für euch sind sie mit Sicherheit gefährlich.«
»Jetzt wissen wir, wie die Dorfbewohner umgekommen sind«, sagte ich grimmig und tastete nach meinem Messer, auch wenn es zur Verteidigung höchst unzureichend war.
Fünf Spinnen rückten in Linie vor. Eine blieb als Wache an der steinernen Tür zurück. Offensichtlich hatten sie Erfahrung im Beute machen. Ihre Angriffstechnik und die Knochen belegten das.
MähreAnne drängte sich an mich. »Oh, Humfrey, was können wir tun? Ich kann die Pferde nicht herbeirufen. Sie können nicht hereinkommen!«
Ich zog mein Messer. Es schien mir jetzt noch nutzloser als zuvor. Denn zum einen bin ich kein Kämpfer, und zum anderen war die Klinge nicht länger als ein Fangzahn des Feindes. Selbst wenn ich einen tödlichen Stich landen konnte, würde das lediglich eine der Spinnen aufhalten.
Hatten wir eine Chance zu flüchten? Nein, aus der Schneise konnten wir nicht ausbrechen. Für die Wolfsspinnen waren es die idealen Jagdbedingungen. Uns blieb nichts anderes übrig, als zu kämpfen und zu sterben, so
Weitere Kostenlose Bücher