Höllen-Mädchen
mitnahmen. Sie hatte nicht erwartet, daß der König so schnell handelte. Noch vor einer Stunde wäre es ihr nicht mal in den Sinn gekommen, daß er ihr überhaupt Beachtung schenkte.
In Windeseile wurde sie dem König Muerte A. Fid vorgeführt. Sein Auftreten war so abscheulich wie sein Ruf. Er galt als eine Kreatur mit einem schwarzen Herzen, der Freude daran fand, anderen Schmerzen zuzufügen. Das Böse wäre seinen Poren entströmt, hätte er welche besessen. Er bezog seine Kraft aus dem Chaos, das Krieg und artverwandtes Unheil mit sich brachte.
Seinen Mund verkniff er zu einem grausamen Strich. Er öffnete ihn für gewöhnlich nur, um Lügen, Erniedrigungen und beißenden Spott auszuteilen. Wehe, so munkelte man, wenn er die Beherrschung verlor; dann brüllte und fauchte er wie toll, und ein heftiger Wortschwall ergoß sich aus seinem Munde. Seine Augen leuchteten dann gelb, und knisternde Funken schossen aus ihnen hervor, während pestilenzialische Dämpfe aus seinen Nasenlöchern quollen. Nach übereinstimmender Meinung war er der widernatürliche Bastard einer Priesterin, die in einer unzüchtigen Bühnenschau mit gut dressierten Reptilien aufgetreten war. Unter vorgehaltener Hand flüsterte man, daß kein Storch ihn hatte bringen wollen, weil sein Anblick alle Störche angewidert hatte. Ein großer Basilisk, der eine Wäscheklammer auf der Schnauze trug, soll ihn abgeliefert haben. Rose hatte natürlich nichts davon glauben wollen, doch angesichts seiner kalten, schwarzen, doppellidrigen Augen war sie mehr als überzeugt davon. Sie fühlte, wie ihr unschuldiges, mädchenhaftes Herz bis zur Kehle schlug, und ihr schien, als würden ihre Herzschläge von den Wänden widerhallen.
Der König war bis zur Taille entblößt. Auf seinem fettigen, in schwarze Locken gewirbelten Kopfhaar trug er eine dünne, zackige Krone aus einem unnatürlichen Metall. Gewöhnliches Gold würde vermutlich beim Kontakt mit seinem Fleisch zerfressen werden. Seine Haut schimmerte in verschiedenen Purpurtönen, die mit den Farben der dornenverletzten Hand von Graf Bliss wetteiferten. Auf seinen Füßen, der Brust, dem Nacken, dem Gesicht und dem Schwanz klebten glänzende Kristalle. Auch die Locken waren mit Diamanten und purpurfarbenen Drachensamen übersät, die wie unheilbringende Augen böse glitzerten.
Sein Lächeln verschlimmerte alles noch. »Wir werden nächste Woche heiraten, sobald die nötigen Vorbereitungen getroffen sind«, bestimmte er. »Zu schade, daß dein Vater nicht dabei sein kann.«
Ihre schlimmste Befürchtung war eingetreten. Eine Heirat mit diesem Scheusal wäre schlimmer als der Tod.
Aus dieser Erkenntnis schöpfte sie einen sonderbar gelassenen Mut. »Für gewöhnlich hält man um die Hand der Frau an«, entgegnete sie unverfroren. Dabei klang ihre Stimme erstaunlich kalt und beherrscht.
Seine Augen verengten sich für einen kurzen Augenblick zu geschlängelten Schlitzen. »Oho, vergaß ich diese Formalität? Rose Fax von Bliss, willigt Ihr ein, Euren König zu heiraten?«
Sie erklomm den höchsten Gipfel ihres Aufbegehrens, öffnete den Mund und preßte furchterfüllt ihre Absage heraus: »Nein!«
Das vollkommene Ausbleiben einer überraschten Reaktion ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren. »Du wirst nach Hause zurückkehren und dir deine Antwort über Nacht reiflich überlegen. Am Morgen soll deine persönliche Habe gepackt und für den Abtransport hierher bereitstehen.« Er wandte sich zum Gehen und fegte im wahrsten Sinne des Wortes davon, denn sein Schwanz wischte über den Boden und wirbelte eine übelriechende Wolke Staub auf.
»Oh, Mutter, was soll aus mir werden?« jammerte Rose, als sie schließlich mit ihrer Mutter allein zu Hause war. Die Rückreise hatte sie kaum mitbekommen. Ein Irrwisch aus Verzweiflung, Ungewißheit, Mißbehagen und Ohnmacht wirbelte durch ihre Gedanken und zog sie unerbittlich in Gefilde hinunter, wo brütende Ungeheuer der Aussichtslosigkeit im Dunkeln lauerten. Den König zu heiraten – der Tod wäre dagegen ein Freudentanz!
»Dein Vater und ich wollten dich wie eine Bauerstochter kleiden und in einem entlegenen Dorf unterbringen«, erklärte Gräfin Ashley Rose. »Leider ist das jetzt unmöglich geworden, da der König in seiner unbarmherzigen Gerissenheit sicherlich alle Wege überwachen läßt. Wir könnten ihn für eine Stunde, bestenfalls für einen Tag austricksen, aber kaum länger. Er wird wissen, wenn irgendein Bauer plötzlich eine
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