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Höllen-Mädchen

Titel: Höllen-Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
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und die allgemeine Haltung und Ausstrahlung eines Wesens. Wenn sie beispielsweise kaltes Eisen im Besitz eines übelriechenden Mannes wahrnahmen, dann schlugen sie sofort los und bauten eine undurchdringliche Verteidigung auf. Sie haßten nichts so sehr wie Äxte.
    Pfeifend ging ich wieder auf sie zu. Diesmal ließen die Äste mich vorbei. Ich handelte und roch schlichtweg gewöhnlich für sie.
    Wenn es wirklich einmal darauf ankam, waren Bäume nicht die verläßlichsten Wesen. Aber als Vorposten leisteten sie ausgezeichnete Dienste.
    Dann betrat ich den inneren Teil des Gartens, in dem alle möglichen Fruchtsorten wuchsen. Hier gab es Nuß-, Pasteten- und andere nützliche Bäume. Es war bestimmt die größte derartige Sammlung in ganz Xanth, denn sie war von König Roogna zusammengestellt worden. Hier sah es sehr schön aus. Und alles war überraschend gut erhalten, wenn man bedenkt, daß der Ort für beinahe dreihundert Jahre vernachlässigt worden war. Eigentlich hatte von 677 an – damals bestieg der Magier Yang den Thron und verließ danach das Schloß – bis heute, im Jahre 971 niemand mehr hier gelebt. Und doch sah es so aus, als hätte sich erst gestern jemand um den Obstgarten gekümmert. Roogna war schon ein sehr mächtiger Magier gewesen.
    Nun erreichte ich das eigentliche große alte Schloß. Was für ein Anblick! Es war fast quadratisch und trug an jeder Ecke einen mächtigen, kantigen Turm und jeweils ein rundes Türmchen in der Mitte der Mauern. Das alles wurde von einem beachtlichen Schloßgraben umgeben. Es wunderte mich, daß das Wasser im Graben so klar war und nicht trüb aufgrund mangelnder Pflege. Zumal ich sah, daß gerade ein Grabenmonster am Grund wühlte.
    War Schloß Roogna vielleicht doch bewohnt? Das wäre erstaunlich. Wie konnte hier jemand leben, wo man es doch vergessen hatte?
    Ich ging an den Rand des Schloßgrabens. Eine Riesenschlange hob den Kopf aus dem Wasser und zischte mich an. Mein Schlangenabwehrzauber war zu dieser Zeit schon fast gänzlich abgenutzt, aber ein bißchen was hatte ich noch davon, falls nötig.
    Unvermittelt senkte sich die Zugbrücke und schlug krachend auf die Erde. Schwere Gegengewichte hoben sich, und das Tor schwang auf. Eine Frau erschien. Sie sah winzig aus inmitten dieser riesigen Verteidigungsanlage. Offensichtlich war sie eine Prinzessin, denn sie trug eine kleine goldene Krone, die mit winzigen rosa Perlen und Diamanten besetzt war. Auf der Brust schimmerte ein erlesener rosa Kristall. Ihr Haar sah aus wie von Tau benetzte Rosenblätter. Ihre Haut so milchig, daß es fast möglich schien, sie zu trinken, und ihre Augen hatten den Glanz frischen Blattgrüns. Bekleidet war sie mit einem tief ausgeschnittenen Gewand aus durchsichtiger Seide. Breite cremefarbene und rosa Streifen wechselten sich ab, durch goldene Borten unterbrochen. Die Untergewänder wie auch die zierlichen Schuhe schimmerten ebenfalls golden und schienen mit winzigen Dornen verschlossen zu sein. Ihr Überwurf besaß eine Kapuze und wirkte altertümlich, war aber aus schwerer Seide von außerordentlicher Qualität, die in satten Rosafarben gehalten war. Den Stoff säumte ein Muster sorgsam ziselierter Samenkapseln, mit Perlen und leuchtend rosa Kristallsplittern besetzt und durch kleine Stückchen rosafarbiger, geschnitzter Jade in der Form von Rosenblüten unterbrechen. Den Verschluß bildete eine Spange aus schimmerndem Gold in der Form eines Rosenschlosses. Alle wirklich bedeutsamen Zeichen königlicher Abstammung waren also vorhanden.
    Sie war das Mädchen aus dem Spiegel, und jeder Zoll an ihr war so lieblich wie auf dem Bild. Ich hatte ja nur ihr Gesicht gesehen, aber auch alles andere an ihr war liebreizend. »Verletze ihn nicht, Souffl«, wies sie das Grabenungeheuer an. »Ich weiß, daß du ihn nicht hereinlassen darfst, also werde ich herauskommen, um ihn zu begrüßen.« Das Ungeheuer nickte mit dem Kopf und ließ sich langsam zurücksinken, bis es verschwand. Offensichtlich erkannte es sie als die Herrin des Schlosses an. Das war eine weitere, ausgezeichnete Empfehlung für ihre Echtheit, denn Grabenungeheuer sind sehr verläßliche Arbeitnehmer, die sich davor hüten, anstelle der Eindringlinge aus Versehen ihre Brötchengeber zu fressen. Das hätte schon ihrem Ehrenkodex als Wächter widersprochen.
    Dann kam das Mädchen über die Brücke auf mich zu. Erst jetzt fiel mir wieder ein, daß ich immer noch schlammbedeckt war und einen Lendenschurz aus Seetang trug.

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