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Höllen-Mädchen

Titel: Höllen-Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
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war, hatte Rose von seiner Existenz erfahren. Ihre Eltern hatten die Bedrohung heraufkommen sehen und rechtzeitig die nötigen Vorsorgemaßnahmen ergriffen. Dankbarkeit erfüllte sie angesichts der liebevollen Voraussicht.
    Sie wechselte in eine ruhigere Gangart, da sie ihre Kräfte schonen wollte. Die Westpalisade war vom uralten Schloß Roogna nicht allzu weit entfernt; andererseits jedoch würde sie die ganze Nacht über unterwegs sein, und für eine so kräftezehrende Strapaze fehlte es ihr an Ausdauer.
    Sie erblickte eine groteske Gestalt in einiger Entfernung, die den Pfad versperrte. Sie war riesig, haarig und unerträglich häßlich. Ein Oger!
    »Sieh an, eine Sie!« brummte der Menschenfresser mit einem dummen Reim, denn Häßlichkeit war seine erste Natur, Dummheit die zweite. Vor Überraschung riß er einen Arm hoch. Seine fleischige Hand streifte dabei unabsichtlich ein kleines Bäumchen, das sofort zerbrach und in Stücken zu Boden krachte. Stärke war die dritte Natur des Ogers, oder hatte sie die Reihenfolge durcheinander gebracht? Wie auch immer, jedenfalls waren die Oger maßlos stolz auf ihre Charaktereigenschaften.
    Rose erinnerte sich an die Mahnungen ihres Vaters. Sie richtete sich auf und sprach das Ungetüm an. »Ich bin Rose, Enkelin von König Yang und unterwegs nach Schloß Roogna, wo ich auf die Ankunft eines Magiers warten möchte, der mich heiraten wird.« Sie befürchtete, einen Schritt rückwärts machen zu müssen, falls das Ungeheuer nach ihr greifen sollte. In diesem Fall wäre der Pfad verschwunden.
    Der Oger grübelte angestrengt über ihre Worte nach. Am Dampf, der aus seinem Kopf stieg, konnte Rose erkennen, daß ein oder auch zwei Gedanken durch seine Gehirnwindungen krochen. Fliegen, die auf seinem Kopf saßen, bekamen heiße Füße und ergriffen die Flucht. Kurz bevor sein Haar Feuer fing, erreichte der Gedanke seinen Bestimmungsort, und der Unhold machte den Weg frei. »Versteh’, also geh!« knurrte er enttäuscht. Ihm war anzusehen, daß er nur zu gern ihre weichen Knochen zermalmt hätte.
    Mit Erleichterung nahm Rose ihren Weg wieder auf. Sie beeilte sich, an ihm vorbeizukommen. Dabei hielt sie den Atem an, denn die Luft war vom Geruch gekochter Fliegen, getoasteter Wanzen und den Überresten ausgebrannter Gedanken überladen. Zum Glück mußte sie den Gestank nur kurz ertragen. Sie blickte rasch zurück und sah den Unhold zwischen den Gewirrbäumen stehen. Sie fragte sich, ob er sich wohl durch das dichte Unterholz schlagen konnte?
    Gleich darauf hörte sie wie zur Antwort ein fürchterliches Bersten und Brechen. Im nächsten Augenblick sah sie herumfliegende Holzsplitter. Offensichtlich machte es dem Oger kaum Mühe, den Wald abzuholzen. Sie bedauerte den nächsten Menschen, der auf den furchterregenden Wüterich stoßen sollte. Schade nur, daß es nicht der König wäre. Aber vermutlich mochte selbst ein Oger die ekelhaft morschen Knochen des Königs nicht zermalmen. Auch für Oger gab es Grenzen.
    Sie setzte ihre Reise fort. Nach einer Weile ohne viel Eile stieg ihr Rauch in die Nase. Hoffentlich war es kein Waldbrand. Es kam aber viel schlimmer: ein Drache. Ein gewaltiger, grimmiger Schlot, der quer über dem Pfad lag. Das kleinste Anhauchen würde zweifelsohne einen lebensbedrohlichen Erstickungsanfall auslösen. Rose näherte sich dem Untier um zwei Schritte, die ihr Mut nicht verantworten wollte. »Ich bin Rose, unterwegs nach Schloß Roogna, und…«
    Der Drache wandte ihr seinen Rachen zu und begutachtete sie. Seinen Nasenlöchern entströmten dunkle Rauchfahnen, die die Blätter eines überhängenden Zweiges in Angst und Schrecken versetzten. Beinahe wäre Rose zurückgewichen, konnte sich aber gerade noch fangen. »…und ich möchte dort auf einen Magier warten, der kommen und mich heiraten wird«, brachte sie mit zittriger Stimme hervor. Der Drache seufzte und entließ dabei eine kleine Rauchwolke. Dann quälte er sein Gewicht hoch und ging des Weges. Trauer war ihm anzumerken, denn heute konnte er keine geräucherte Jungfrau verschlingen. Vor Wut wandte er sein Maul einem nahen Gewirrbaum zu und stieß eine gewaltige Rauchfahne aus. Der Gewirrbaum bekam einen Hustenanfall, weil seine Tentakeln mit Ruß bedeckt wurden. Rose vermutete, daß dieser Greifer den nächsten Drachen nicht besonders freundlich behandelte. Vielleicht tat sie ihm aber auch Unrecht? Sie kannte ihn ja schließlich nicht. Sie machte sich Vorwürfe darüber, daß sie ohne triftigen Grund

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