Höllen-Mädchen
bat.
Die kurzen Zeiten der Trennung bereiteten ihr sogar ein gewisses Vergnügen, denn sie wurde jedesmal von Gefühlen der Liebe ergriffen, sobald sie ihn wiedersah. In ihrer Liebe betrachtete sie Humfrey als einen äußerst attraktiven Mann, obwohl sie wußte, daß das kein objektives Urteil war. Sie trug ihren Teil dazu bei, indem sie dafür sorgte, daß er immer gut gekleidet war. An einem Tag hatten sein Hemd, die Hose und der Mantel einen blauen Ton, dazu trug er wüstensandbraune Stiefel; an einem anderen Tag war er ganz in Braun oder Grau gekleidet. Sie konnte es ihm zwar nicht abgewöhnen, immer einen abgenutzten, ausgebeulten Sack voll Bücher, dicker Folianten und Zaubersprüche bei sich zu tragen, aber wenigstens band sie passende Schleifen dazu. Manchmal wurde er vom Regen überrascht, und silbrige Regentropfen funkelten wie Edelsteine in seinem Haar und auf seinem Spazierstock aus Treibholz. Dann öffnete sie ihm die Tür, trocknete ihn ab und überschüttete ihn mit Küssen. Auf diese Weise richtete sie seine Stimmung wieder auf.
Unterdessen brachte sie das Schloß in Ordnung. Vor allem bemühte sie sich um die Beseitigung der letzten Spuren, die an die Zombies erinnerten. Und sie begann, einen Rosengarten anzulegen. Undenkbar, ohne Rosen weiterzuleben! Sie sorgte dafür, daß in der Küche ständig hausgemachte Suppe und viel Liebe warm gehalten wurden. Manchmal begleitete sie Humfrey auf seinen Ausflügen und erfreute sich an den Teppichreisen und Stunden der Ruhe im Gras.
Bald aber mußte sie damit aufhören und zu Hause bleiben, denn sie erwartete den Storch. Es war nicht gut, nicht daheim zu sein, wenn er ankam. Ihr graute davor, eines Tages nach Hause kommen und entdecken zu müssen, daß das Baby schmutzbedeckt im Kamin oder sonstwo abgelegt worden war. Störche waren nämlich für ihre engen Zeitpläne berüchtigt. Wenn die Mutter nicht auf die Ankunft des Storches wartete, legten sie das Baby irgendwo im Haus ab.
Glücklicherweise war sie zu Hause, als ihre Tochter ankam. Jetzt blieb ihr nur noch wenig Zeit für andere Dinge. Roy tat ihr Bestes, ihrem männlichen Kosenamen von Beginn an gerecht zu werden. Zu manchen Zeiten fragte sich Rose, ob sie nicht besser einen anderen Namen gewählt hätte. Immer wieder erweckte Roy die Steine des Fußbodens und die Ziegel des Kamins zum Leben und spielte mit ihnen. Glücklicherweise blieben die Steine nur solange belebt, wie der Blick des Babys auf sie gerichtet war – und das war nie sehr lange der Fall, weil Roys Aufmerksamkeit nur kurz anhielt. Sie verbreitete viel Unruhe.
Roy wuchs rasch heran und mit ihr auch Humfreys Buch der Antworten. Irgendwie kam es Rose vor, als wenn Roy innerhalb weniger Tage zu einem hübschen Kind, dann zu einem Mädchen und schließlich zu einer jungen Frau herangereift war. Und auf einmal war sie mit Stone verheiratet, dem Sohn des Försters. Sie wurde Rosetta Stone und zog aus, um ihre eigene Familie zu gründen. »Aber sie ist doch noch ein Kind!« klagte Rose, während sie Tränen der Freude über das Glück ihrer Tochter vergoß. Stone verstand sich auf die Dinge des Lebens und konnte ihnen Sinn verleihen. Das würde ihrer Ehe zugute kommen.
»Sie ist einundzwanzig«, belehrte Humfrey Rose schroff, »älter als dein physisches Alter, als du mich geheiratet hast. Das ist alt genug.«
»Aber gestern war sie erst elf!« weinte Rose.
»Und vorgestern erst ein Jahr alt«, stimmte er zu. »Wo ist meine Suppe?«
Rose hätte am liebsten eine Bemerkung über sein mangelndes Einfühlungsvermögen gemacht, aber sie war zu rücksichtsvoll und gutmütig. Also holte sie ihm seine Suppe. Natürlich hätte sie es nie zugegeben, aber in den vergangenen zwei Jahrzehnten war er zwanzig Jahre älter und mürrischer geworden. Mehr denn je glich er einem Gnom. Nur gut, daß sie ihn liebte.
So war es eben mit der Liebe in Xanth: wenn sie echt war, währte sie ewig. Im trostlosen Mundania hingegen hielt die Liebe nur wenige Jahre, dann begannen die Ehen zu zerbrechen. Humfrey hatte sich in MähreAnne verliebt gehabt. Sein Gefühl hatte angedauert, bis er Rose lieben lernte. Die Dämonin Dana und Jungfer Taiwan hatte er nicht geliebt, obwohl er sie stets höflich behandelte. Sein Unglück war, daß er in seiner Jugend keine wahre Liebe gekannt hatte. Doch dann hatten sie beide zusammengefunden. Ihre Liebe hüteten sie, solange sie lebten.
Das war gut so, denn ohne Roy wurde das Leben um vieles ruhiger. Rosetta und Stone hatten
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