Höllen-Mädchen
entdeckt, daß sie Steine zum Leben erwecken und dazu bringen konnten, von dem zu erzählen, was sie wußten; und die verwirrenden Äußerungen der Steine wurden dann von ihnen gedeutet. Manchmal wußten die Steine tatsächlich Unterhaltsames oder Nützliches zu berichten. Bei Rose und Humfrey dagegen ging es weniger lebhaft zu. Rose entwickelte jetzt ein stärkeres Interesse an der Arbeit ihres Mannes, und in den folgenden sechs Jahren kam er mit seinem Buch der Antworten schnell voran. Er war geschickt darin, Dinge aufzufinden, nicht aber, sie zu klassifizieren oder in eine rechte Ordnung zu bringen. Er konnte nicht einmal seine Socken ohne Roses Hilfe finden! Also übernahm Rose das Sortieren der Fakten und kümmerte sich um das Anlegen von Verzeichnissen, so daß es möglich wurde, fast alles in der umfangreichen Sammlung aufzufinden.
Noch wußte sie nicht, daß ein großes Unglück ins Haus stand. Sie machte sich keine tiefergehenden Gedanken darüber, daß sie sich um diese Sachen kümmerte, ihrem Mann bei seiner Arbeit half und höflich anderen gegenüber war. Es war ihr nie in den Sinn gekommen, daß sie das Opfer von Betrug und Boshaftigkeit werden könnte. Diese Vertrauensseligkeit sollte ihr eines Tages teuer zu stehen kommen.
Es begann alles ganz harmlos. Humfrey katalogisierte Seemuscheln und erledigte den Papierkram, während Rose weitere Muscheln einsammelte. Später dann wollte sie dazustoßen und die Arbeit des Registrierens übernehmen, die darin bestand, die Querverweise in seinen Notizen aufzulisten. Daraufhin konnte er mit der Arbeit der eigentlichen Katalogisierung beginnen.
Peggy, das fliegende Pferd, war lange Zeit gekränkt, weil Humfrey nach der Hochzeit statt ihrer den magischen Teppich zur Heimreise benutzt hatte. Inzwischen war sie zum Schloß zurückgekehrt. Rose hatte sich um Erklärungen bemüht, und Peggy entschloß sich daraufhin, Humfrey dieses Vergehen zu verzeihen. Danach hatte Humfrey den magischen Teppich jedoch nochmals benutzt, und das Pferd geriet vor Wut darüber außer sich. Bis es Rose gelungen war, die Zorneswogen zu glätten, hatte Peggy sich entschlossen, in Zukunft Rose statt des launenhaften Magiers auf Flugreisen mitzunehmen. Seitdem waren Rose und Peggy enge Freundinnen. Humfrey, typisch Mann, hatte das nie bemerkt.
Heute trug Peggy Rose an die Goldene Küste im Südosten Xanths, wo der Sand und viele Pflanzen golden glänzten. Es war schon eine Weile her, seit Rose das letzte Mal in dieser Gegend gewesen war. Schon als Kind hatte sie dieses Gestade besucht, im Sand gespielt und schöne Erinnerungen im Herzen getragen. Nun war sie bestürzt über die Veränderungen, die hier eingetreten waren. Genau vor der Küste wurde ein Turm aus Elfenbein errichtet. Anscheinend sollte es ein Leuchtturm werden. Man hatte weißes Elfenbein verwendet, weil es noch heller strahlte als Gold. Rose hätte es lieber gesehen, wenn die Küste unverändert geblieben wäre, doch nicht einmal die Frau eines Magiers konnte diese Art Fortschritt aufhalten. Vielleicht verschwand der Turm, wenn sie ihn einfach übersah?
Rose machte Peggy den Vorschlag zu grasen, wo sie wollte. Das Pferd lief ins Dickicht und suchte dort nach schmackhaften Blättern und Gräsern. Rose ging die Küste entlang und sammelte neue Arten goldener Seemuscheln. Die Augen der Muscheln waren gelblich bis hellorange, und einige waren außerordentlich hübsch. Humfrey machte sich nicht viel daraus. Für ihn war eine häßliche Muschel ebensogut wie eine hübsche. Aber Rose zog die reine Schönheit vor. Das war anders gewesen, als sie selbst noch unvergänglich schön gewesen war. Seit der Zeit auf Schloß Roogna war sie bis auf achtundvierzig Jahre gealtert. Sie hatte sich immer darum gekümmert, ihren Körper ansprechend aussehen zu lassen, und sie bürstete jeden Tag ausgiebig ihr Haar, damit es füllig blieb. Gelegentlich war ein Spiegel so unfreundlich, ihr Falten zu zeigen. Dadurch hatte Rose ihr Interesse an Spiegeln verloren und trug nie mehr einen bei sich.
Sie kam in ein Dorf von Fischmännern und Fischfrauen, die den Kopf eines Fisches und menschliche Beine besaßen. Ihr Dorf lag im Wasser. Sie kamen jedoch ans Ufer, um nach Nahrung zu suchen. Rose sah, daß sie ihre Flossen wie Arme benutzten und Stangen damit festhielten, von denen lange Schnüre ausgingen. Am Ende der Schnüre waren Haken befestigt, die dazu dienten, Strandgut aufzulesen. Manchmal verbissen sich kleine Tiere in den Karamelstückchen, die
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