Höllenbote Angela
möglicherweise diese angeblich tote Angela treffen?«
»Zumindest hoffen wir es, Abe…«
Raoul Barnes schwitzte. Damit wäre er noch klargekommen, aber sein Inneres war aufgewühlt. Er bekam die Gedanken nicht mehr unter Kontrolle. Sie wanderten, sie rissen aus, sie waren wie stroboskopartige Blitze, die zu allen Seiten hin weghuschten, ohne ein Ziel zu erreichen und sich dort konzentrieren zu können.
Er wußte, daß ihm Ärger bevorstand. Grundlos hatte ihn seine Schwester nicht angerufen. Noch jetzt flatterte ihre von Panik erfüllte Stimme durch seine Erinnerung. Sie hatte ihn gebeten, sofort zu kommen, denn jemand hielt sich bei ihr auf, der Raoul unbedingt sehen wollte. Eine Frau, die sich als Angela vorgestellt hatte. Einfach nur als Angela.
Bei Nennung dieses Namens hatte es im Kopf des Bistro-Wirts gezuckt. Er kannte nur eine Angela. Die aber war tot. Von ihm erschossen worden, in seinem Bistro war sie in die Falle gelaufen. Und jetzt sollte sie wieder zurückgekommen sein?
Das konnte er nicht glauben. Das war nicht rational gedacht. Aber die Stimme seiner Schwester hatte ihn schon nachdenklich werden lassen. Deutlich hatte er die Furcht darin gehört. Von einer direkten Bedrohung hatte sie nicht gesprochen, aber er kannte sie gut genug, um zu wissen, daß sie nicht aus freien Stücken sprach. Dazu war ihre Stimme einfach nicht unbeschwert genug gewesen.
Raoul mochte seine Schwester Denise. Sie hielten einen lockeren Kontakt, aber beide wußten, daß sie sich aufeinander verlassen konnten, wenn es mal hart auf hart kam. Da mischte sich dann auch sein Schwager Roger nicht ein, der als freier Schriftsteller arbeitete und in seinem umgebauten Haus Drehbücher für Soap-Operas schrieb. Das Ehepaar Quaine hatte die ersten Jahre nach der Heirat in London gewohnt, sich dann ein Wochenendhaus zugelegt, das immer besser isoliert und auch ausgebaut worden war. Jetzt wohnten sie südlich vom Flughafen zwischen London und Windsor. Wer war Angela?
Die Angela konnte es nicht sein, denn sie war tot. So etwas gab es einfach nicht.
Und doch zweifelte Barnes daran. Er wußte den Grund selbst nicht, aber die Zweifel steckten tief in ihm. Er hatte über Denises Anruf nicht lachen können. Ihre Stimme hatte sie nicht verstellen können. Da mußte etwas sein, bei dem sie Hilfe brauchte.
Er dachte an die NSA!
Plötzlich haßte er diesen verdammten Club. Er hätte sich nicht anwerben lassen sollen, aber damals war es ihm finanziell ziemlich schlecht gegangen, und da war dieser Big Smith ihm gerade recht gekommen. Er hatte dafür gesorgt, daß das Bistro schuldenfrei wurde und zunächst einmal keine Gegenleistung verlangt. Die Kneipe war später zu einem konspirativen Treffpunkt geworden. Auch das hatte sich Raoul noch gefallen lassen, aber die ganze Wahrheit war erst später ans Tageslicht gekommen.
Er hatte andere Aufgaben übernehmen müssen. Gefährliche und auch tödliche.
Nie hätte Raoul von sich gedacht, daß er einmal zu einem Killer werden könnte. Er hatte es getan. Bei seinem ersten Mord war ein südländisch aussehender Mann das Opfer gewesen. Ein Iraner, der angeblich eine Gefahr darstellte.
Nach dieser Tat hatte er nächtelang nicht schlafen können, denn er hatte auch die Leiche wegschaffen müssen. Es war so eine Art Prüfung gewesen. Man hatte sie ihm mit einer guten Summe vergoldet. Von nun an steckte er voll und ganz in der Szene drin. Er war zu einem wichtigen Teil des Londoner Netzes geworden, und es wäre ihm auch nicht möglich gewesen, auszusteigen.
Angela Sarti war die zweite Tote gewesen, die auf seine Rechnung ging. Er hatte einfach geschossen. Er hatte dabei nicht nachgedacht. Hätte er es getan, dann wäre er möglicherweise verrückt geworden. So aber hatte er nur abzudrücken brauchen, und die Sache war erledigt gewesen.
Und jetzt sollte die Tote wieder da sein!
Unmöglich. Absurd. Absolut lächerlich, wenn er genauer darüber nachdachte. Das tat der Mann auch, und plötzlich kamen ihm die Dinge nicht mehr so absurd vor. Auch deshalb, weil seine Verwandtschaft mit einbezogen war, denn die Schwester und den Schwager hatte er immer aus den Geschäften heraushalten können.
Wer war diese Angela?
Eine Verwandte, eine Bekannte? Womöglich eine Zwillingsschwester, von der man nichts gewußt hatte?
Wie Barnes es auch drehte und wendete, er kam zu keinem Ergebnis und mußte sich überraschen lassen.
Für ihn war es schwer gewesen, aus London herauszukommen. Der dichte Verkehr, die
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