Höllenbote Angela
den Boden schlugen, als wollten sie dort trommeln.
Dann lag die Person still.
Das Echo der Schüsse verklang. Raoul Barnes, der noch immer im Sessel hockte, erwachte wie aus einem langen und tiefen Traum. Er blickte nach vorn, ohne jetloch etwas erkennen zu können. Den Mund hielt er jetzt geschlossen und atmete nur durch die Nase.
Sie war getroffen worden. Wieder einmal. Er hatte sie zum zweitenmal erwischt, aber er wollte nicht behaupten, daß er sie tatsächlich umgebracht hatte.
Oder doch?
Er hörte nichts. Kein Stöhnen, kein Atmen… Atmen?
Dieses eine Wort brachte ihn zum Nachdenken. Es schrillte durch seinen Kopf, denn irgend etwas stimmte damit nicht. Auf einmal fiel es ihm wie die berühmten Schuppen von den Augen.
Diese Person hatte nicht ein einziges Mal geatmet. Uberhaupt nicht. Sie war gekommen, sie hatte mit ihm gesprochen, aber sie hatte nicht zwischendurch Luft holen müssen.
Stimmte das auch?
Er wußte es nicht. Er zweifelte, und er dachte daran, daß er sich einfach Gewißheit verschaffen mußte. Er würde aufstehen müssen, um durch die offene Tür in den Flur zu gehen, wo sie lag.
Das tat er auch. Seine Gelenke waren steif geworden. Sie schmerzten leicht, und Raoul hatte große Mühe, überhaupt auf die Beine zu kommen. Abermals fühlte er sich wie ein Greis, der auf sehr wackligen Füßen stand. Er mußte sich in stehender Haltung ausruhen und drehte sich nur sehr langsam herum.
Sein Blick fiel in den Flur, aber Angela Sarti war nicht zu sehen. Auf dem glatten Boden war sie nach dem Fall noch ein Stück zur Seite gerutscht. So mußte Barnes erst um die Ecke schauen, damit er sie sehen konnte.
Angela lag auf dem Rücken. Die von den Kugeln hinterlassenen Löcher waren deutlich zu sehen, aber Raoul wurde durch etwas irritiert. Er sah so gut wie kein Blut…
Das Licht wollte er nicht anknipsen. Der aus dem Arbeitszimmer dringende Schein reichte aus. Er floß sogar fast bis zum Gesicht der Frau hin, auf dem sich plötzlich etwas bewegte.
Ein allerletztes Zucken? Der Wirt wollte daran glauben. Er sah sich getäuscht. Die Erkenntnis traf ihn mit ungeheurer Wucht.
Was er da auf dem Gesicht der Angela Sarti gesehen hatte, war kein Zucken gewesen, sondern ein Grinsen.
Ja, die Tote grinste ihn an.
Und aus ihrem Oberkiefer ragten zwei lange Vampirzähne hervor!
***
Das war der zweite Schock, der den Mann innerhalb kurzer Zeit erwischte. Schon beim ersten war für ihn eine Welt zusammengebrochen, doch jetzt stürzte sie erneut ein.
Er hatte seine Schwester und seinen Schwager in ihrem Blut liegen sehen. Er wußte, wer die Mörderin gewesen war, doch nun mußte er erkennen, daß diese verfluchte Mörderin nicht zu töten war, denn sie war kein Mensch.
Kein Mensch!
In seinem Kopf tobte es. Raoul hätte schreien können. Er keuchte, und er schüttelte dabei so hektisch den Kopf, als wäre er von Stromstößen erwischt worden.
Die Person grinste noch immer.
Böse und wissend. Ihre Zunge fuhr aus der Mund-Öffnung hervor und umspielte mit der Spitze die beiden Vampirzähne, als wollte sie diese reinigen.
Sie hob ihren rechten Arm mit einer steifen Bewegung an. Es sah für den Mann aus wie im Kino. Auch in diesen Gruselfilmen hatten sich die lebenden Toten oder Wiedergänger so starr bewegt.
Sie ist ein Vampir! Sie saugt Blut, um überleben zu können! Diese Gedanken und Vorstellungen schössen ihm immer wieder durch den Kopf. Es war ihm unmöglich, dagegen anzugehen. Er mußte es einfach hinnehmen, ob er wollte oder nicht.
Sie hat sich auch nicht als Blutsauger verkleidet. Sie ist echt, so verdammt echt. Das ist kein künstliches Gebiß, das aus ihrem Oberkiefer hervorragt. Schon zweimal hätte sie tot sein müssen, aber sie lebt noch immer.
Er zitterte. Das Bild der liegenden Frau verschwamm vor seinen Augen.
Erst ihre Stimme riß ihn wieder zurück in die Wirklichkeit. »Willst du mir nicht hochhelfen?« fragte sie.
Er schüttelte den Kopf.
»Dann komme ich von allein zu dir.« Es folgte ein Lachen. Danach ging ein Ruck durch ihre Gestalt, und wie von einem Faden gezogen kam sie hoch.
Der Mann tat nichts.
Er stand einfach nur da.
Er überlegte, wie diese Person seine Verwandten umgebracht hatte. Welche Waffe hatte sie genommen?
Er hatte keine bei ihr gesehen. Es war einfach nicht zu glauben.
Angela Sarti stand vor ihm. Sie schüttelte sich, als wollte sie Wassertropfen aus ihrer Kleidung schleudern. Die Haare wehten dabei so locker hoch wie frisch gewaschen.
»Du weißt,
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